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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Oder diejenigen, die hinter ihm stehen. Wenn wir, wie Ihr vorhin vorschlugt, diesen Faden im Muster weiterverfolgen, dann haben wir es nicht mit der Tat eines Einzelnen zu tun. Es handelt sich um eine Verschwörung mehrerer. In der auch eine Frau eine Rolle spielt, wenn man Rigmundis’ Vision berücksichtigt. Was immer Ivo vom Spiegel in der Vergangenheit getan hat, hat diese Leute seit seinem Ersuchen um Entbindung von den Gelübden auf den Plan gerufen.«
    »Womit der Mönch ein besonderes Gewicht erhält, denn die Weltlichen können von unseren Verhandlungen mit dem Erzbischof Friedrich, die im Übrigen sehr diskret geführt wurden, wenig wissen.«
    »Welcher Mönch?«, wollte Leon wissen.
    »Der Diener Derich, wenn er denn wirklich Roderichs Diener ist. Es ist ein wenig weit hergeholt, aber der Vergolder hat sich einige Male mit einem Gast hier im Kloster unterhalten, einem Mönch in brauner Kutte. Ehrwürdiger Vater, ich habe eine Idee. Bertram hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter. Ich würde mich gerne noch einmal mit ihm unterhalten.«
    »Tut das. In der Zwischenzeit möchte ich mich gerne mit Euch unterhalten, Leon de Lambrays.«
    »Und ich mich mit Euch, Herr Abt.«
    Almut verabschiedete sich also von beiden, und Bruder Johannes geleitete sie zu Bertrams Werkstatt. Der bearbeitete gerade einen fast zwei Ellen hohen Holzblock aus dunkel gemasertem Ebenholz. Er legte den Stichel bei Seite und begrüßte sie freundlich.
    »Ein großes Werk im Entstehen, Bertram?«
    »Och, nur so ein Versuch.«
    »Das Holz sieht sehr edel aus.«
    »Vielleicht gelingt der Versuch ja«, war seine verschmitzte Antwort.
    »Das vermute ich bei dir eigentlich. Aber, Bertram, ich habe noch einige Fragen wegen des Vergolders.«
    »Habt Ihr mehr herausgefunden?«
    Sie erzählte es ihm, und Bertram dachte nach.
    »Ja, ich erinnere mich, er war sogar zweimal hier in der Werkstatt.«
    »Kannst du ihn mir beschreiben? Oder...«, sie wies auf ein Stück Holz, das schon für einen Kopf vorbereitet war, »sein Gesicht schnitzen?«
    Bertram schloss die Augen und wog das ovale Holz in den Händen.
    »Es ist seltsam, Frau Almut. Normalerweise kann ich mich an so etwas gut erinnern. Aber hier will sich kein Bild formen. Wisst Ihr, die meisten Menschen tragen in ihren Zügen Zeichen ihres Lebens. Gedanken und Gefühle graben Linien und bilden Polster, kerben Falten oder entblößen das Gebein unter der Haut. Genauso handeln meine Hände dann, wenn ich es schnitze. Ich spüre ihrem Wesen nach - aber bei diesem Mann ist nichts. Nichts, als hätte er eine tote Seele.«
    Wieder zog der kalte Schauder über Almuts Rücken.
    »Kannst du dich denn zumindest erinnern, wann er hier war?«
    »Lasst mich überlegen. Ja, ich gab gerade dem Apostel Paulus den letzten Schliff, und das war in der Woche nach Ostern. Thomas war seit zwei Tagen bei uns. Dann fiel er mir noch einmal auf, als ich mit Matthäus begann, und das war kurz vor dem ersten Maitag. Danach - war er nicht mehr hier. Oder? Doch, doch, Frau Almut!« Bertrams Augen leuchteten aufgeregt. »Er war hier, als Pater Ivo zurückkam. Ich habe gesehen, wie er nach dem Zank mit Thomas hinter ihm das Kloster verließ. Ist er ihm gefolgt?«
    »Das nehme ich sehr stark an. Hast du mitbekommen, worüber sich Thomas und er unterhalten haben?«
    »Nein, Frau Almut. Sie sprachen leise, und ich war sehr vertieft. Tut mir leid.«
    »Das muss dir nicht leidtun, Bertram. Deine Arbeit wiegt weit mehr als das Belauschen böser Buben. Du hast mir wirklich sehr geholfen. Falls du dich an das Gesicht doch noch erinnern kannst oder der Mönch hier wieder auftaucht, dann gib dem Vater Abt umgehend Bescheid.«
    Almut kehrte zu Theodoricus zurück und berichtete ihm von ihren Fundstückchen, dann bat sie Leon, sie zum Beginen-Konvent zurückzubegleiten.

26. Kapitel
    Die Stimme vor der Klause, es war diesmal eine andere als am Tag zuvor, hatte ihr abendliches Gift versprüht, und die hornhäutige Seele des Insassen wand sich in höllischen Qualen. Es hatte begonnen, was er befürchtet hatte. Die Maurin war ihr erstes Opfer. Mit großem Genuss hatte die Stimme ihm geschildert, was sie mit ihr angestellt hatten. Und mit hässlicher Befriedigung davon gesprochen, was mit der Begine demnächst geschehen würde. »Aber das sollte dir Genugtuung verschaffen, Ivo«, hatte es gezischelt. »Denn sie ist alles andere als keusch, dein frommes Weibchen. Schon hat sie einen jungen Mann an ihrer Seite. Einen hübschen Kerl,

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