Das brennende Gewand
Dokumente.«
»Ihr sagt es. Denn alles andere würde ansonsten unsinnig erscheinen. Warum sollte Ivos Widersacher den Boten töten, wenn der Dispens abgelehnt wurde?« Theodoricus trat zur Tür, rief seinen Adlatus herbei und bat ihn, besagtes Pergament umgehend herbeizuschaffen.
»Es würde auch die schroffe Antwort des Diakons erklären, der ausrichten ließ, es gäbe keinen Grund mehr zu verhandeln. Ihm muss unsere Bitte geradezu wie das Angebot weiterer Bestechungsgelder geklungen haben.«
»Bestechungsgelder«, wiederholte Almut trocken.
»Je nun, so läuft es. Ah, hier ist das fragliche Dokument. Danke, Johannes.« Der Abt legte es auf sein Lesepult und meinte: »Ihr könnt versichert sein, Frau Almut, ich werde es gründlichst untersuchen. Wenn sich tatsächlich beweisen lässt, dass es eine Fälschung ist, werde ich Ivo davon umgehend in Kenntnis setzen. Es mag seine Haltung ändern.«
»Dennoch, ehrwürdiger Vater - den echten Dispens haben wir damit noch lange nicht.«
»Das überlasse ich zunächst einmal Eurer Findigkeit.«
»Ja. Ich verfolge weitere Spuren. Eine davon - nun, heute Nacht werden sich ein paar junge Burschen in der Nähe der Klause herumtreiben.«
»Ich hoffe, der Pater wird dadurch nicht in seiner Andacht gestört.«
»Noch nicht, ehrwürdiger Vater. Aber auf Grund dieser Umtriebe könnte es in einigen Tagen zu einer ziemlich - mhm - drastischen Unterbrechung seiner Einkehr kommen.«
»Ich kann nur hoffen, dass die Klause dadurch keinen Schaden nimmt.«
»Keinen äußerlich sichtbaren, das verspreche ich.«
»Wie geht es eigentlich Gauwin vom Spiegel, Frau Almut?«
Ein Klopfen an der Tür hinderte Almut an der Antwort. Bruder Johannes streckte nochmals den Kopf in die Stube und kündigte an: »Leon de Lambrays bittet um Erlaubnis, dich zu sprechen, Vater Abt.«
»Wer?«
»Lasst ihn eintreten, ehrwürdiger Vater.«
»Nun, wenn Frau Almut es wünscht.«
Leon erschien in der Tür, und Theodoricus erstarrte mitten in der Drehung seines Körpers. Dann beendete er die Bewegung, und er sah Almut an.
»Narren mich meine Augen?«
»Nein, ehrwürdiger Vater.«
Leon machte eine respektvolle Verbeugung in ihrer beider Richtung.
»Ein Verwandter von Ivo vom Spiegel?«
»Sein Sohn«, erklärte Almut. »Er hat Euch wohl nicht sein ganzes Leben gebeichtet?«
»Verzeiht, dass ich zu spät komme, aber ich bin bei meinem Großvater aufgehalten worden«, entschuldigte sich Leon. »Ich wollte eigentlich die Frau Begine zu Euch begleiten, ehrwürdiger Vater.«
Theodoricus musterte ihn noch immer, und Leon ließ es in geduldiger Haltung über sich ergehen.
»Ich kannte Ivo schon, als er in Eurem Alter war. Ihr müsst meine Überraschung verstehen. Ihr seid eine jüngere Ausgabe seiner selbst. Ihr habt seine Augen und das schwarze Haar, wenngleich ich mich nicht an Locken erinnern kann. Er trug sie immer kurz geschnitten. Und Eure Lippen sind weicher - ich nehme an, Eure Mutter ist von großer Schönheit?«
»Weil der Herr vom Spiegel sie begehrte?«
»Das auch, aber eher weil Ihr sie weitertragt.«
Leon lächelte, und Almuts Herz machte einen undisziplinierten Sprung. Die Ähnlichkeit mit seinem Vater war wirklich atemberaubend. Doch lächelte der gestrenge Pater Ivo selten, aber wenn er es tat, verwandelte er sich, und die Jahre fielen von ihm ab.
»Setzt Euch, Leon de Lambrays. Frau Almut hat Euch, vermute ich, mit der Situation bereits vertraut gemacht?«
»Sie tat es.«
Er nahm neben Almut Platz, und sie sagte: »Ihr kamt soeben von Herrn Gauwin, Leon. Die letzte Frage des ehrwürdigen Vaters galt seinem Befinden. Könnt ihr Sie beantworten?«
»Er hat sich, wie Ihr vermutet habt, erfreut gezeigt. Ivo vom Spiegel hatte seinem Vater, verzeiht, Herr Abt, meine Existenz jedoch bereits gebeichtet.«
Theodoricus brummelte etwas, in dem das Wort Vertrauen vorkam, und Almut musste schmunzeln. Das Vertrauen des Herrn vom Spiegel genossen nur wenige, und selbst seine engsten Freunde wussten nicht alles über ihn.
Just in diesem Moment kam ihr die Erleuchtung.
»Mist, Ma... Vergebung. Ehrwürdiger Vater, ich glaube, Pater Ivo weiß auch in diesem Fall mehr, als er uns anvertraut hat. Ich fürchte sogar, ihm ist sein Widersacher bekannt, und er glaubt, dass er weit gefährlicher ist, als wir nur ahnen können.« Kälte kroch ihren Rücken empor.
»Ihr meint, er hat diesen Roderich erkannt und seine Machenschaften durchschaut?«
»Ihn oder den seltsamen Mönch, der hier zu Gast war.
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