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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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von Pater Henricus herunter, sein Gesicht war asketisch streng, seine Haut, obwohl er die Mitte der Zwanzig noch nicht überschritten hatte, pergamentblass. Geduldig hörte er jedoch zu, was die Begine ihm zu beichten hatte.
    »Mein größtes Vergehen in der vergangenen Woche, Pater, war mein Gezänk mit Lena, der Pastetenbäckerin. Ich bereue es sehr, dass ich sie eine hohlköpfige Ziege genannt habe, denn unsere Ziege ist sehr klug.«
    »Ihr bereut nicht, Frau Lena beschimpft zu haben?«
    »Nein. Sie hat böses Geschwätz verbreitet, und sie ist von der ›Art, die Schwerter als Zähne hat und Messer als Backenzähne, und verzehrt die Elenden im Lande und die Armen unter den Leuten‹.«
    In den hageren Zügen des Franziskaners malte sich Erstaunen ab, und Almut schickte ein Stoßgebet zu Maria, der Hüterin ihrer Zunge. Es war schon wieder passiert.
    »Vergebung, Pater Henricus. Ich habe das nicht mit Absicht getan. Ich bereue.«
    »Wie bitte?«
    »Ich wollte das nicht sagen.«
    »Dass Ihr die Nachbarin für eine gefährliche Schwätzerin haltet?«
    »Das tue ich, aber ich wollte es nicht mit den Worten Salomos ausdrücken.«
    »Ihr habt eine wunderliche Auffassung von Sünde, Frau Almut. Hat sie falsches Zeugnis geredet wider ihren Nächsten?«
    »Ja, das hat sie. Sie hat unserer Edlen von Bilk nachgesagt, sie habe den bösen Blick.«
    »Das ist eine Behauptung, für die, wenn sie haltlos ist, ich sie auch gerügt hätte. Warum aber wolltet Ihr es nicht mit den Worten des Weisen tun?«
    Jetzt war es an Almut, Erstaunen zu zeigen.
    »Ihr habt nichts dagegen, wenn ich die Bibel zitiere?«
    »Nicht, wenn es im rechten Maß geschieht. ›Die Heilige Schrift lesen, heißt von Christus Rat holen‹, sagt unser gütiger Franziskus. Es freut mich, dass Ihr die Sprüche Salomos beherzigt. Es liegt viel Gutes darin. Was, meine Tochter, habt Ihr noch zu beichten?«
    »Ich habe mich - wieder einmal - meinem Vater widersetzt. Er will mich eben mit einem sehr ehrbaren Dachdeckermeister verheiraten, der drei erwachsene Söhne hat.«
    »Den Eltern zu gehorchen ist dem Herrn eine Freude, doch das Leben in Keuschheit ist höher zu achten. Ich würde es sogar begrüßen, Frau Almut, wenn Ihr Euch unseren Schwestern anschließen wolltet, denn ein solch aufgeweckter und gelehriger Geist würde unsere Gemeinschaft bereichern.«
    Schwankend zwischen Geschmeicheltsein und Heiterkeit fasste Almut nach der Träne Mariens an dem Kettchen um ihren Hals und bat die himmlische Mutter um Haltung und Beistand.
    »Danke Pater. Ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich das Beginenleben vorziehe.«
    »Natürlich nicht. Aber solltet Ihr Euch je anders entscheiden, werden wir Euch freudig aufnehmen.«
    Almut nickte und überlegte krampfhaft, was sie ihrem Beichtiger noch an Sünden anbieten konnte. Es war recht schwierig, denn Henricus war ein hochgelehrter Mann, der den Sinn seines Lebens in der Erforschung der Natur sah. Die üblichen Schwächen der Menschheit schienen ihn nicht anzufechten, Keuschheit entsprach seinem natürlichen Empfinden, Völlerei war ihm zur Gänze fremd, weltliche Güter interessierten ihn nicht. Er lebte in der Sphäre des Geistes, und nur sein Pflichtgefühl veranlasste ihn, dieses hohe Reich hin und wieder zu verlassen, um den priesterlichen Dienst am Nächsten wahrzunehmen. Die Beginen hatten es sehr schnell bemerkt, und sie hüteten sich, ohne es je miteinander abgesprochen zu haben, den Pater mit ihren sie wirklich bewegenden Sünden und Sorgen zu konfrontieren. Also kam auch für Almut weder die Angst, Trugbildern verlorener Kinder ausgesetzt zu sein, noch ihre Wut auf Lena wegen der Mordanklage gegen Ivo vom Spiegel als Beichtgegenstand in Frage.
    Nur eine Kleinigkeit fiel ihr ein, die sie noch erwähnen konnte.
    »Ich habe mich der Ausgelassenheit und alchemistischen Spielen hingegeben, Pater Henricus.«
    Das Auffunkeln von Neugier in seinen Augen erfreute sie, und mit farbigen Worten schilderte sie Trines Experimente mit den bunten Feuern, denen er aufmerksam zuhörte.
    »Was für ein ungewöhnliches Mädchen, diese Trine!« Henricus’ Worte klangen anerkennend. »Das erinnert mich an ein Geschehen, von dem in unserem Orden erzählt wird. Die Alchemia in der rechten Weise angewandt, hat uns schon viele Erkenntnisse über Gottes wunderbare Schöpfung geschenkt.«
    Almut lehnte sich zufrieden mit ihrer geschickten Themenwahl auf ihrem Stuhl zurück. Die wöchentliche Beichte fand wie üblich in den Räumen

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