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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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begleitet, doch dann ist er spurlos verschwunden. Das war um die Zeit, als wir die Botschaft bekamen, dass der junge Herr in Sankt Gallen der Ketzerei angeklagt worden sei.«
    »Diese Geschichte möchte ich gerne von ihm selbst erfahren. Darf ich auch ihn zu Euch bringen?«
    »Nur zu gerne, auch ich möchte seine Geschichte wissen.«
    Ein flüchtiger Hauch von Röte war in die Wangen der Haushälterin gestiegen, und Almut erlaubte sich eine kleine Mutmaßung. Frau Nelda und Hardwin mochten im gleichen Alter stehen, und der Pferdeknecht war zwar kein schönes, doch auch heute noch ein durchaus ansehnliches Mannsbild …
    Endlich trafen Meister Krudener und Trine ein, und nachdem sie ihnen die Umstände geschildert hatten, machten sich beide daran, die Tote zu untersuchen.
    »Keine Wunden, keine gebrochenen Knochen, und - vergewaltigt wurde sie offensichtlich auch nicht. Bleibt nur eine Todesart übrig.«
    Trine hatte die starre Leiche ebenfalls begutachtet und mit ihren feinfühligen Händen abgetastet. In ihrem lebhaften Gesicht las Almut Mitleid und Traurigkeit, aber auch einen Anflug von Zorn. Dann beugte sie sich über sie und roch an ihren Haaren, Händen und an ihren Lippen.
    »Was macht das Mädchen da?«, flüsterte Leon.
    »Sie hat einen ungewöhnlich ausgeprägten Geruchssinn. Ich nehme an, weil sie nicht hören kann. Sie kann auch besser fühlen als wir gewöhnliche Menschen. Ihr wird Maren mehr erzählen als uns zu Lebzeiten.«
    »Ihr könnt Euch aber mit ihr verständigen, und dieser Apotheker ebenso.«
    »Wir haben eine Zeichensprache mit den Händen gelernt, und Trine ist gewandt darin, von unseren Gesichtern und Körpern zu lesen.«
    Trine erhob sich und machte Almut ein Zeichen.
    »Du weißt, woran sie gestorben ist?«
    »Eine blaue Pflanze, wie die Kapuze eines Mönchs. Man wird gefühllos davon, dann erstickt man.«
    »Blauer Eisenhut«, übersetzte Almut für die anderen. »Ein hochgefährliches Gift. Die Pflanze wächst in Elsas Kräutergarten. Und bestimmt in anderen Gärten auch.«
    »Eine kleine Menge der Wurzel reicht aus, um einen Menschen umzubringen«, bestätigte auch Meister Krudener.
    »Mit Gift morden Frauen«, knurrte Leon.
    »Oder Feiglinge. Es ist ein hinterhältiger Mord und passt zu den ganzen anderen Schandtaten, die bisher vollbracht wurden. Wir müssen schleunigst überlegen, was wir den Angehörigen der Magd erzählen, damit nicht auch noch eine Anklage gegen den Herrn des Hauses erhoben wird.«
    »Oder gegen die Beginen, Frau Almut. Denn zuletzt wurde sie bei Euch gesehen - und der Eisenhut wächst, wie Ihr selbst sagt, in Eurem Kräuterbeet.«
    »Auch das gilt es zu bedenken.«
    Trine hatte sich wieder neben die Tote gekniet und strich ihr mit den Fingerspitzen über die Brust und die Arme, als ob sie etwas suchte. Die Magd trug ein nicht sehr sauberes Untergewand aus Leinen und darüber einen braunen, groben Kittel, der von einem breiten, geflochtenen Ledergürtel zusammengehalten wurde. An dem Gürtel hingen, nicht unüblich, zwei Beutel, ein kleiner war aus Leder, der andere ebenfalls aus grobem Leinen. Aber sie waren es nicht, die Trines Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie fuhr am Halssaum des Kittels entlang und nickte befriedigt.
    Almut gab ihren Hinweis an Frau Nelda weiter, die fasziniert den Untersuchungen zugesehen hatte. Sie kam umgehend mit einer kleinen Handarbeitsschere zurück, und Almut trennte dort, wohin Trine gewiesen hatte, die Naht auf.
    Zehn Goldmünzen holten sie aus dem Saum hervor.
    »Lohn für treue Dienste«, knurrte Almut und fuhr mit dem Rand einer der Münzen über den Pflasterstein und zeigte dann das Kupfer vor, das durch die Goldschicht schimmerte.
    Und dann erschreckte sie die Umstehenden mit einem geradezu wölfischen Grinsen.
    »Jetzt drehen wir den Spieß um!«
    »Wie das, Frau Almut?«
    »Weil wir Anklage erheben gegen Roderich von Kastell, Falschmünzer und Betrüger, wohnhaft ›Unter Guldenwaagen‹. Denn von ihm stammen diese Münzen. Er wird sie dann auch wohl umgebracht haben.«
    Ein Blick in Leons Gesicht zeigte ihr, dass er ihren Schachzug in seiner ganzen Tragweite erkannte und billigte. Seine weißen Zähne blitzten in dem dunklen Gesicht auf, aber ein freundliches Lächeln war es nicht.
    »Eine ausgezeichnete Lösung. Ich werde das übernehmen. Als Enkel dieses Hauses wird mir der Vogt mit Sicherheit Gehör schenken.«
    »Frau Nelda, bringt mir Nadel und Faden, ich will den Saum wieder zunähen. Die Münzen haben wir in ihrem

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