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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Und doch hat er jeden Dänen besiegt, der seinen Thron erobern wollte.»
    «Das hast du für ihn getan», gab Ragnar gut gelaunt zurück und schlug mir auf den Rücken. Schlagartig war der Saal von Stimmengewirr erfüllt, die Männer sahen neue Zukunftsaussichten vor sich. Sie waren begeistert. Ich erinnere mich, dass Osferth stirnrunzelnd und schweigsam an seinem Platz saß. Dann beugte sich Ragnar zu mir herüber. «Du scheinst nicht sehr glücklich, Uhtred.»
    Ich war nicht glücklich. Ich hatte Alfred nie gemocht. Er war zu fromm, zu humorlos und zu streng. Er zog sein Vergnügen aus Gesetzen. Er wollte die ganze Welt auf Listen, Vorschriften und Gehorsam beschränken. Er liebte es, Bücher zu sammeln und Verfügungen zu schreiben. Er glaubte, wenn nur jeder Mann, jede Frau und jedes Kind den Gesetzen folgten, hätten wir den Himmel auf Erden, doch er vergaß dabei die Freude am irdischen Leben. Er hatte sie als junger Mann sehr wohl gekannt, dafür war Osferth der Beweis, doch dann hatte er sich von diesem angenagelten Christus davon überzeugen lassen, dass Freuden Sünde waren, und so versuchte er mit Gesetzen das Sündigen zu verbieten. Ein Mann könnte ebenso gut versuchen, Wasser zu einer Kugel zu formen.
    Ich mochte Alfred also nicht, und dennoch war mir immer bewusst gewesen, dass ich in der Gegenwart eines außergewöhnlichen Mannes lebte. Er war nachdenklich, und er war kein Narr. Er hatte einen schnellen Verstand und war neuen Vorstellungen gegenüber aufgeschlossen, solange diese Vorstellungen seinen religiösen Überzeugungen nicht widersprachen. Er war ein König, der nicht glaubte, dass das Königtum Allwissenheit mit sich brachte, und er war, auf seine Weise, ein bescheidener Mann. Vor allem aber war er ein guter Mensch gewesen, wenn er es anderen auch nie leichtgemacht hatte. Auch er hatte an das Schicksal    geglaubt. Dieser Glaube scheint alle Religionen zu einen, doch nach Alfreds Überzeugung brachte das Schicksal den Fortschritt. Er wollte die Welt verbessern. Ich dagegen glaube nicht und habe nie geglaubt, dass wir die Welt verbessern können. Wir können uns nur bemühen, so lange wie möglich zu überleben, während wir unaufhaltsam dem Weltende entgegengleiten.
    «Alfred hat meinen Respekt», erklärte ich Ragnar. Ich war noch nicht sicher, ob ich der Nachricht Glauben schenken sollte. Gerüchte ziehen herum wie die Spinnfäden des Spätsommers. Ich winkte Grimbald näher heran. «Was genau hat dir dieser Priester gesagt?»
    «Dass Alfred in der Kirche von Wintanceaster war und dass er während des Messrituals zusammenbrach und in sein Bett gebracht wurde.»
    Das klang überzeugend. «Und jetzt ist sein Sohn König?»
    «So sagte der Priester.»
    «Sitzt Harald immer noch in Wessex in der Falle?», fragte Ragnar. «Nein, Herr», sagte Grimbald. «Alfred hat ihm Silber bezahlt, damit er abzieht.»
    Ragnar bellte einen Befehl, damit Ruhe einkehrte. Dann ließ er Grimbald wiederholen, was er zuletzt gesagt hatte, und die Nachricht, dass der verwundete Jarl dafür bezahlt worden war, Torneie zu verlassen, rief neuen Jubel hervor. Dänen hören es gern, wenn Sachsen Silber bezahlen, um Dänen loszuwerden. Es ermutigt sie, sächsische Gebiete anzugreifen, weil sie auf die gleichen Bestechungsgeschenke hoffen.
    «Wohin ist Harald gegangen?», fragte Ragnar, und mir fiel auf, dass Skade aufmerksam zuhörte.
    «Er hat sich Haesten angeschlossen, Herr.»
    «In Beamfleot?», fragte ich, doch das wusste Grimbald nicht.
    Die Nachrichten von Alfreds Tod und dem neuen Reichtum des verwundeten Harald ließen das Fest noch fröhlicher werden. Es gab nicht einmal Streit, als Met, Ale und Wein begannen, ihre Wirkung zu tun. Jeder Mann im Saal, vielleicht mit Ausnahme einer Handvoll meiner sächsischen Gefolgsleute, sah eine neue Gelegenheit vor sich, die reichen Felder, Dörfer und Städte von Wessex zu besetzen und zu plündern.
    Und sie hatten recht. Wessex war verwundbar. Abgesehen von einer Kleinigkeit.
    Die Nachricht war nichts weiter als ein Gerücht. Alfred lebte.
    Dennoch glaubte in den dunklen Wintermonaten dieses Jahres jeder Mann im nördlichen Britannien, dass Alfred tot sei. Brida war geradezu aufgepeitscht. «Es ist ein Zeichen der Götter!», erklärte sie. Sie überzeugte Ragnar davon, die Jarls des Nordens zusammenzurufen. Das Treffen wurde auf den Frühlingsbeginn festgelegt, wenn die Winterregen vorbei und die Furten wieder passierbar wären. Die Aussicht auf einen Krieg weckte

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