Das brennende Land
mich, in wessen Diensten sie stehen», sagte ich.
«Vermutlich in Domnals, des Königs von Alba.» Ragnar betonte das letzte Wort höhnisch. Domnal regierte den größten Teil des Landes nördlich von Northumbrien. Dieses gesamte Land nannten sie Schottland, weil es weitgehend von den Schotten erobert worden war, einem wilden Volk aus Irland, doch ebenso wie der Name England bedeutete er nicht viel. Domnal regierte das größte Königreich, aber es gab weitere wie Dalriada und Strathclota, und dann gab es noch die sturmgepeitschten Inseln vor der Westküste, auf der grimmige normannische Jarls ihre eigenen unbedeutenden Königreiche einrichteten. Mit den Schotten zu tun zu haben, hatte mein Vater immer gesagt, war, als würde man versuchen, eine Wildkatze mit den Zähnen zu zerteilen, doch glücklicherweise verbrachten die Wildkatzen die meiste Zeit damit, sich gegenseitig in Schach zu halten.
Als wir das Dorf verwüstet hatten, zogen wir uns auf höheres Gelände zurück, weil wir fürchteten, die vier Kundschafter könnten Vorboten eines größeren Verbandes sein. Doch es tauchten keine Krieger auf. Am nächsten Tag wandten wir uns westwärts, auf der Suche nach irgendetwas Lebendigem, an dem wir Rache nehmen konnten, aber nach vier Tagen Ritt hatten wir außer einer kranken Geiß und einem lahmen Ochsen nichts gefunden. Die Kundschafter ließen uns nie aus den Augen. Sogar als sich dichter Nebel über die Hügel herabsenkte und wir in seinem Schutz die Richtung wechselten, machten sie uns wieder aus, sobald der Nebel sich hob. Aber sie kamen uns niemals nahe, sondern beobachteten nur, was wir taten.
Wir kehrten um. Wir folgten dem Grat der großen Hügelkette, die Britannien zerteilt. Es war immer noch kalt, und in den Tälern des Hochlandes lag Schnee. Es war uns nicht gelungen, für den schottischen Beutezug Vergeltung zu üben, doch wir waren gleichwohl in gehobener Stimmung, denn es war gut, mit dem Schwert an der Seite durchs offene Land zu reiten. «Ich mache die Bastarde fertig, wenn wir Wessex erledigt haben», versprach Ragnar fröhlich, «den Raubzug werden sie nie mehr vergessen!»
«Du willst Wessex wirklich angreifen?» Wir beide ritten allein etwa hundert Schritte vor unseren Männern.
«Wessex angreifen?» Er zuckte mit den Schultern. «In Wahrheit? Nein. Ich bin zufrieden hier oben.»
«Warum tust du es dann?»
«Weil Brida recht hat. Wenn wir Wessex nicht einnehmen, wird Wessex uns einnehmen.»
«Aber nicht mehr zu deinen Lebzeiten.»
«Ich habe Söhne», sagte er. Seine Söhne waren sämtlich Bastarde, aber Ragnar kümmerte es nicht, ob sie legitim waren oder nicht. Er liebte sie alle und wollte, dass nach ihm einer von ihnen die Führung Dunholms übernahm. «Ich will nicht, dass sich meine Söhne einem westsächsischen König beugen müssen. Sie sollen frei sein.»
«Also wirst du König von Wessex werden?»
Er wieherte vor Lachen. «Ganz bestimmt nicht! Ich will Jarl von Dunholm sein, mein Freund, weiter nichts. Wie wäre es denn mit dir als König von Wessex?» «Ich will Jarl von Bebbanburg sein.»
«Wir werden schon noch jemanden finden, der König werden will», sagte er leichthin. «Vielleicht Sigurd oder Cnut?» Sigurd Thorrson und Cnut Ranulfson waren nach Ragnar die mächtigsten Herren in Northumbrien, und solange sie ihre Männer nicht mit unseren zu einer Streitmacht vereinten, hatten wir keine Aussicht darauf, Wessex zu erobern. Aber Ragnar war zuversichtlich wie immer. «Wir nehmen Wessex ein und teilen seine Schätze auf. Du brauchst Männer, um Bebbanburg zu erobern? Mit dem Silber aus den Kirchen von Wessex kannst du genügend Männer bezahlen, um ein Dutzend Festungen wie Bebbanburg zu besetzen.»
«Stimmt.»
«Also freue dich! Das Schicksal ist uns wohlgesinnt!»
Wir folgten einem Hügelkamm. Unter uns glitzerten weißschäumende Flüsse in tiefen Tälern. Ich konnte meilenweit sehen, und nirgendwo in diesem weiten Blick zeigte sich ein Haus oder auch nur ein Baum. Es war kahles Land hier, dessen Bewohner sich ihr karges Leben mit der Schafzucht zusammenkratzten, auch wenn alle Herden aus Angst vor uns weggetrieben worden waren. Die schottischen Kundschafter mit ihren langen Speeren standen auf dem Hügel östlich von uns, während im Süden der Bergrücken in einen langgestreckten Hügel auslief. Er fiel steil zu einem Tal mit schroffen Hängen ab, in dem zwei Ströme zusammenfl ossen. Und dort, wo die Ströme an ihrem verschatteten Zusammenfluss
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