Das brennende Land
langsam sterben, dass eure Schreie die Toten in ihren eisigen Tiefen erschauern lassen.» Ein Narr, dachte ich. Ein gewiefter Mann hätte vorgegeben, dass ihm die Frau nichts oder kaum etwas bedeutete, doch Harald verriet, wie viel sie ihm wert war. «Zeig sie mir!», verlangte er.
Ich zögerte, als müsse ich erst noch überlegen, doch ich wollte, dass Harald den Köder sah, also befahl ich zwei von Steapas Männern, Skade zu holen. Als sie kam, trug sie noch immer das Seil um den Hals, doch ihre Schönheit und ihre ruhige Würde beherrschten die ganze Brustwehr. In diesem Moment dachte ich, dass sie die königlichste Frau war, die ich jemals gesehen hatte. Sie ging bis zur Palisade und lächelte Harald zu, der sein Pferd noch ein paar Schritte vorwärtstrieb. «Haben sie dich angefasst?», rief er zu ihr hinauf.
Sie warf mir einen spöttischen Blick zu, bevor sie antwortete. «Dazu sind sie nicht Manns genug, mein Gebieter», rief sie.
«Schwör es mir!», schrie er, und aus seiner Stimme klang echte Verzweiflung.
«Ich schwöre es dir», antwortete sie, und ihre Stimme war wie eine Liebkosung.
Harald drehte sein Pferd so, dass es seitwärts zu mir stand. Dann hob er erneut seine behandschuhte Hand, um auf mich zu zeigen. «Du hast sie nackt vorgeführt, Uhtred Scheißhaufen.»
«Willst du, dass ich es noch einmal tue?»
«Dafür bezahlst du mit deinen Augen!» Skade lachte. «Lass sie jetzt gehen», fuhr Harald fort, «und ich töte dich nicht! Stattdessen binde ich dich nackt und blind an ein Seil und lasse dich von aller Welt begaffen.»
«Du kläffst wie ein erbärmlicher Köter», rief ich.
«Knote das Seil von ihrem Hals los, und dann schickst du sie mir her!» «Komm und hol sie, Kläffer!», schrie ich zurück. Ein Hochgefühl ergriff mich.
Harald bewies gerade, was für ein unverbesserlicher Narr er war. Er begehrte Skade stärker, als er Wessex begehrte, stärker, als er all die Schätze aus Alfreds Königreich begehrte. Ich erinnere mich, dass ich dachte, ich hätte ihn genau da, wo ich ihn haben wollte: am Ende meiner Leine, doch dann wandte er sich im Sattel um und winkte der immer größer werdenden Kriegergruppe am Ufer zu.
Und zwischen den dichtstehenden Bäumen, die am gegenüberliegenden Ufer wuchsen, traten Frauen und Kinder hervor. Es waren unsere Leute, Sachsen, und sie waren mit einem Seil aneinandergebunden, weil sie als Sklaven verkauft werden sollten. Haralds Männer hatten auf ihren Raubzügen durch das östliche Wessex jedes Kind und jede junge Frau gefangen genommen, die sie zu fassen bekommen hatten, und wenn sie sich ausreichend mit ihnen vergnügt hatten, würden sie auf Schiffen zu den Sklavenmärkten des Frankenreiches gebracht. Die Frauen und Kinder wurden bis ans Ufer des Flusses geführt, wo sie sich auf Befehl Haralds niederknien mussten. Das kleinste Mädchen war etwa im Alter meiner Stiorra, und ich sehe immer noch vor mir, wie die Augen dieses Kindes zu mir emporstarrten.
Das Mädchen sah einen Kriegsherrn in voller Pracht, und ich sah nichts als erbarmungswürdige Verzweiflung.
«Anfangen!», rief Harald seinen Männern zu.
Einer seiner Krieger, ein grinsender Rohling, der aussah, als könne er einen Ochsen niederringen, trat hinter die Frau am südlichen Ende der Reihe. Er trug eine Kriegsaxt, schwang sie empor und ließ sie niederfahren, sodass die Klinge den Schädel der Frau spaltete und sich tief in ihren Rumpf grub. Ich hörte über das Rauschen des Flusses hinweg das Knirschen, mit dem die Klinge die Knochen aufbrach, und ich sah das Blut noch über Harald auf seinem Pferd aufspritzen. «Eins!», rief Harald und winkte dem blutbesudelten Axtführer zu, der sich mit einem Schritt nach links hinter ein Kind stellte, das wie von Sinnen schrie, weil es gerade mit angesehen hatte, wie seine Mutter getötet worden war. Die bluttriefende Axt hob sich.
«Warte», rief ich.
Harald hob die Hand, um die Axt anzuhalten, dann lächelte er mich höhnisch an. «Hast du etwas gesagt, Herr Uhtred?», fragte er. Ich antwortete nicht. Ich sah zu, wie das Blut der Frau von einem Wasserwirbel aufgenommen wurde und stromab im Fluss verschwand. Einer von Haralds Männern durchtrennte das Seil, mit dem die tote Frau an ihr Kind gebunden war, und beförderte die Leiche mit einem Fußtritt ins Wasser. «Sprecht, Herr Uhtred, so sprecht doch bitte», sagte Harald mit übertriebener Höflichkeit.
Es waren noch dreiunddreißig Frauen und Kinder übrig. Wenn ich nichts
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