Das brennende Land
denn er war der schlauere und der ehrgeizigere von beiden, und er wollte Land. Er wollte König sein.
Die Nordmänner waren nach Britannien gekommen, um sich Königreiche zu erobern, und die erfolgreicheren unter ihnen hatten ihre Throne gefunden. Ein Nordmann regierte in Northumbrien, ein anderer in Ostanglien, und Haesten wollte ihnen ebenbürtig sein. Er wollte die Krone, die Reichtümer, die Frauen und die Stellung, und es gab zwei Regionen, in denen er all dies finden konnte. Die eine war Mercien, und die andere war Wessex.
In Mercien hatte er die besseren Aussichten. Mercien besaß keinen König und war von Kriegszügen zerrissen. Der Nordosten des Landes wurde von Jarls geführt, mächtigen Dänen, die über starke Haustruppen verfügten und jeden Abend ihre Tore verriegelten. Der Südosten dagegen war sächsisches Land. Die Sachsen zählten zu ihrem Schutz auf meinen Cousin Æthelred, und er schützte sie auch, aber nur, weil er ein großes Vermögen geerbt hatte und die Unterstützung seines Schwiegervaters Alfred genoss. Mercien gehörte nicht zu Wessex, doch es folgte den Geboten aus Wessex, und deshalb war Alfred die eigentliche Macht, und er stand hinter Æthelred. Haesten konnte Mercien angreifen, und er würde im Nordosten Verbündete finden, doch am Ende würde er sich sowohl den Truppen des sächsischen Merciens als auch denen von Alfreds Wessex stellen müssen. Haesten war vorsichtig. Zwar hatte er sein Lager an einem trostlosen Küstenabschnitt von Wessex aufgeschlagen, doch er forderte niemanden heraus. Er wartete ab, sicher, dass Alfred ihn für den Abzug bezahlen würde. Und er wartete ab, welchen Schaden Harald Wessex zufügen würde.
Es mochte sein, dass auch Harald einen Thron wollte, doch vor allem wollte er Reichtümer. Er wollte Silber, Gold und Frauen. Er war wie ein Kind, das etwas Schönes sieht und so lange schreit, bis es es bekommt. Der Thron von Wessex konnte ihm in die Hände fallen, während er voller Gier alles zusammenraffte, was nach Glanz und Pracht aussah, aber er trachtete nicht danach. Er war nach Wessex gekommen, weil es hier so viele Schätze zu holen gab, und jetzt verheerte und plünderte er das Land. Haesten sah einfach nur zu. Er hoffte, so glaubte ich, Haralds wilde Horden würden Alfred derart schwächen, dass er das Land anschließend nur noch übernehmen musste. Wenn Wessex ein Bulle war, dann waren Haralds Männer blutrünstige Terrier, die in der Meute angriffen und von denen viele beim Angriff sterben würden. Dennoch würden sie den Bullen schwächen, und dann würde Haesten, der Mastiff, kommen und den Rest erledigen. Um Haesten abzuschrecken, musste ich also die überlegenen Kräfte Haralds vernichten. Der Bulle durfte nicht geschwächt werden, aber dazu mussten die Terrier getötet werden, denn sie waren gefährlich, sie waren bösartig, heißblütig und zügellos. Ich würde sie mit Schätzen anlocken. Ich würde sie mit Skades schlanker Schönheit anlocken.
Die fünfzig Männer, die ich in Godelmingum postiert hatte, flohen am nächsten Morgen vor einem größeren Trupp Dänen aus dem Städtchen. Sie ritten durch den Fluss nach Æscengum. Die Dänen reihten sich am gegenüberliegenden Ufer auf und beäugten die Banner, die im strahlenden Sonnenlicht an der östlichen Palisade der Festung hingen. Sie zeigten Kreuze und Heilige, den gesamten Prunk von Alfreds Rang, und um dem Feind zu beweisen, dass der König in der Burgfestung war, ließ ich Osferth, angetan mit einem hellen Umhang und einem schimmernden Bronzereif auf dem Kopf, langsam auf dem Wall entlanggehen.
Osferth, mein Krieger, war Alfreds Bastard. Davon wussten die wenigsten, auch wenn er seinem Vater bemerkenswert ähnlich sah. Seine Mutter war eine siebzehnjährige Dienerin gewesen, mit der sich Alfred vergnügt hatte, bevor ihm das Christentum die Seele stahl. Einmal hatte mir Alfred in einem unbedachten Moment anvertraut, dass Osferth für ihn ein beständiger Vorwurf war. «Eine Erinnerung an den Sünder, der ich einst war.»
«Eine süße Sünde, Herr», hatte ich leichthin gesagt.
«Die meisten Sünden sind süß. Der Teufel macht sie so.»
Was ist das für eine widernatürliche Religion, die Freuden in Sünden verwandelt? Doch die alten Götter verlieren, obwohl sie uns keine Freuden verwehren, in der heutigen Zeit ihre Kraft. Das Volk gibt sie auf und bevorzugt statt ihrer die Peitsche und die Fesseln des angenagelten Christengottes.
Also spielte Osferth, diese
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