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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Alfreds Bastard, mit der Herrin Æthelflæd sprach,    und es überraschte mich, dass sie nicht mit Vater, Bruder und Gemahl in der Kirche war, und es überraschte mich auch, dass sie und ihr Halbbruder so schnell eine freundschaftliche Verbindung geknüpft hatten. Ich erinnere mich daran, dass Oswi, mein neuer Laufbursche, Smoka auf die Straße führte und stehen blieb, um mit einer Frau zu sprechen, und dabei wurde mir klar, dass die Dorfbevölkerung von Fearnhamme schon wieder zurückkehrte. Vermutlich hatten sich die Leute in den nahe gelegenen Wäldern versteckt, sobald sie die ersten Bewaffneten über den Fluss hatten kommen sehen. Eine andere Frau, die einen mattgelben Umhang trug, benutzte ein Beschneidmesser, um einem Dänen den beringten Finger von der Hand abzutrennen. Ich erinnere mich an einen Raben, der blauschwarz in dem von Blutgestank erfüllten Himmel seine Kreise zog, und während ich den Vogel anstarrte, erfüllte mich ein Hochgefühl. War es einer der beiden Odinsraben? Würden die Götter selbst von diesem Gemetzel hören? Ich lachte laut auf, und mein Lachen klang fremd und fehl am Platz, denn in meiner Erinnerung herrschte in diesen Momenten eine große Stille.
    Bis Æthelflæd sprach. «Uhtred?» Sie war dicht an mich herangetreten und sah mich an. «Uhtred?», sagte sie sanft. Finan stand ein paar Schritte hinter ihr, und bei ihm war Cerdic, und da wusste ich es. Ich wusste es, doch ich sagte nichts, und Æthelflæd legte mir die Hand auf den Arm. «Uhtred?», sagte sie wieder. Ich glaube, ich habe sie einfach nur angestarrt. In ihren blauen Augen glänzten Tränen. «Die Geburt», sagte sie leise.
    «Nein», sagte ich ruhig, «nein.»
    «Doch», erwiderte sie einfach. Finan sah mich schmerzerfüllt an.
    «Nein», sagte ich lauter als zuvor. «Mutter und Kind», sagte Æthelflæd kaum vernehmlich. Ich schloss die Augen. Meine Welt wurde dunkel. Sie war untergegangen, denn meine Gisela war tot.
    Wyn eal gedreas. Das ist aus einem anderen Lied, das manchmal in meinem Palas gesungen wird. Es ist ein trauriges Lied, und folglich steckt viel Wahrheit darin. Wyrd bið ful aræd heißt es darin. Das Schicksal ist unausweichlich. Und wyn eal gedreas. Alle Freude ist gestorben.
    All meine Freude war erstorben, und ich lebte in der Finsternis. Finan sagte, ich hätte geheult wie ein Wolf, und vielleicht habe ich das getan, auch wenn ich mich nicht daran erinnere. Kummer und Trauer müssen versteckt werden. Der Mann, der als Erstes sang, dass das Schicksal unausweichlich ist, fuhr damit fort, dass wir unsere innersten Gedanken in Ketten legen müssen. Eine bekümmerte Seele taugt nichts, sagte er, und ihre Gedanken müssen versteckt werden, und vielleicht habe ich geheult, doch dann schüttelte ich Æthelflæds Hand ab und knurrte den Männern zu, die Tote in den Fluss warfen, dass zwei von ihnen denjenigen helfen sollten, die den Leichendamm an den Pfeilern der eingestürzten Brücke auflösten. «Sorg dafür, dass sämtliche Pferde von dem Hügel heruntergeholt werden», sagte ich zu Finan.
    Ich dachte in diesem Augenblick nicht an Skade, sonst hätte ich in Versuchung kommen können, Schlangenhauch zu erlauben, sich ihre faulige Seele zu holen. Es war ihr Fluch, so erkannte ich später, der Gisela getötet hatte, denn sie war an demselben Morgen gestorben, an dem mich Harald gezwungen hatte, Skade freizulassen. Cerdic war gekommen, um es mir zu erzählen, und das Herz war ihm    schwer gewesen, als er durch das dänenverseuchte Land nach Æscengum geritten war, nur um festzustellen, dass wir abgerückt waren.
    Als Alfred es erfuhr, kam er zu mir, nahm meinen Arm und ging mit mir die Straße von Fearnhamme hinunter. Er hinkte, und die Männer traten beiseite, um uns Platz zu machen. Er hielt sich an meinem Ellenbogen fest und setzte ein Dutzend Mal zum Sprechen an, doch jedes Mal erstarben ihm die Worte auf den Lippen. Schließlich trat er vor mich und sah mir in die Augen. «Ich weiß nicht, warum Gott solch ein Leid zulässt», sagte er, und ich sagte nichts. «Deine Frau war ein Juwel», fuhr er fort. Er runzelte die Stirn, und seine nächsten Worte waren ebenso großzügig, wie sie ihm schwergefallen sein mussten: «Ich bete dafür, dass dir deine Götter Trost schenken, Herr Uhtred.» Er führte mich zu dem Römerhaus, das nun als königlicher Palas genutzt wurde. Æthelred warf mir einen unbehaglichen Blick zu, als er sah, dass mich der gute Pater Beocca in Verlegenheit brachte, indem er

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