Das brennende Land
und dort band ich Guthlac los und stieß ihn ins Heck des
Seolferwulfs.
Ich stellte mich neben ihn auf die Steuerplattform. Die Ebbe zog uns weiter aufs Meer hinaus, und das Schiff lief erbebend und buckelnd durch die windgepeitschten Wellen. «Gestern Abend hast du uns erzählt, wir wären in Dumnoc willkommen. Du hast uns gesagt, wir könnten den Abend in Frieden verbringen, erinnerst du dich?» Er sah mich stumm an.
«Du hast dein Wort gebrochen.» Er sagte nichts. «Du hast dein Wort gebrochen», wiederholte ich, und er schüttelte nur ängstlich den Kopf. «Du willst also an Land gehen?»
«Ja, Herr», antwortete er.
«Dann mach dich allein auf den Weg.» Ich warf ihn über Bord. Er stieß einen Schrei aus, traf klatschend auf die Wellen, und dann gab Finan den Befehl, dass weitergerudert werden sollte. Wir sahen dem Vogt zu, wie er in unserem Kielwasser gegen die Wellen kämpfte. Eine Weile gelang es ihm, den Kopf über Wasser zu halten, dann war er verschwunden. Wir setzten das Segel, spürten, wie sich das Schiff in den Wind legte, und wandten uns nordwärts.
Später, viele Tage später, fragte mich Osferth, warum ich Guthlac getötet hatte. «Er war doch harmlos, oder, Herr?», sagte er. «Nur ein harmloser Narr.»
«Mein Ruf», gab ich zurück. Osferth sah mich verständnislos an. «Er hat mich herausgefordert», erklärte ich, «und wenn ich ihn am Leben gelassen hätte, dann hätte er damit geprahlt, dass er Uhtred von Bebbanburg herausgefordert hat und ihm nichts geschehen sei.»
«Und deshalb musste er sterben, Herr?»
«Ja», sagte ich.
Es kam noch mehr Nebel, und es kamen noch mehr Tage und Nächte in verborgenen Wasserläufen, doch dann drehte sich der Wind ostwärts, es klarte auf, und der
Seolferwulf
fuhr schneller Richtung Norden weiter. Inzwischen lag der Winter in der Luft.
Der letzte Tag der Reise war strahlend und kalt. Wir hatten die Nacht auf dem Wasser verbracht und erreichten unser Ziel am Morgen. Der Wolfskopf steckte auf dem Bug, und sein Anblick brachte die Fischer in ihren kleinen Booten dazu, eilig hinter einer der felsigen Inseln Schutz zu suchen, auf denen feucht schimmernde Robben lagen. Wohlgenährte Möwen kreisten am Himmel. Ich hatte das Segel eingeholt und den
Seolferwulf in
der langen grauen Dünung näher an den sandigen Strand rudern lassen. «Halt das Schiff an dieser Stelle», sagte ich zu Finan. Die Ruder standen still, und langsam drehte der
Seolferwulf
bei. Ich stand mit Skade im Bug, und wir sahen nach Westen. Ich in all meiner kriegerischen Pracht, in Kettenrüstung und Helm und mit Schwert und Armringen.
Ich dachte an den fernen Tag, an dem ich an ebendiesem Strand gestanden und mit Staunen beobachtet hatte, wie drei Schiffe von Süden über die Wellen geritten kamen, ebenso wie der
Seolferwulf jetzt
auf den Wellen ritt. Ich war damals ein Kind, und es war der erste Blick, den ich auf die Dänen erhascht hatte. Ich hatte ihre Schiffe bewundert, die so schlank und so schön waren, und die makellose Gleichzeitigkeit der Bewegung, mit der sich die Ruder zu beiden Seiten der Schiffe gehoben und gesenkt hatten wie Zauberflügel. Und dann hatte ich ungläubig beobachtet, wie der dänische Anführer in voller Rüstung außen über die Ruder gelaufen war, wie er flink von Schaft zu Schaft getreten war, bei jedem Schritt den Tod versuchend, und ich hatte gehört, wie mein Vater und mein Onkel auf die Ankömmlinge geflucht hatten. Innerhalb von Stunden war mein Bruder getötet worden, und innerhalb von Wochen war ihm mein Vater ins Grab gefolgt, und mein Onkel hatte Bebbanburg gestohlen, und ich wuchs in der Familie des Rudergängers auf, Ragnars des Furchtlosen. Ich hatte Dänisch gelernt, für die Dänen gekämpft, Christus vergessen und Odin angebetet, und hier hatte alles angefangen, hier bei Bebbanburg. «Deine Heimat?», fragte Skade.
«Meine Heimat», sagte ich, denn ich bin Uhtred von Bebbanburg. Vor mir lag die große Festung auf ihrem hoch aufragenden Felsen über dem Meer. Männer standen hinter der hölzernen Palisade und gaben meinen starren Blick zurück. Über ihnen, an einer Stange, die am seewärts gelegenen Giebel des großen Palas befestigt war, wehte die Flagge meiner Familie, der Wolfskopf, und ich befahl, dass die gleiche Flagge an unserem Mast gehisst wurde, auch wenn der Wind kaum ausreichte, um sie flattern zu lassen. «Ich zeige ihnen, dass ich noch am Leben bin. Und solange ich lebe, sollen sie ihr Dasein in Furcht
Weitere Kostenlose Bücher