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Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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glauben, dass wir seine Gewässer nur durchquerten, und er würde auch erwarten, dass wir uns für die Nacht einen Unterschlupf suchten. Diesen Unterschlupf fanden wir in einem Wasserlauf. Das Gewirr aus Marschen, Sand und Buchten verdiente die Bezeichnung Festlandküste kaum. Außer Wasservögeln und Schilf gab es hier nur ein paar armselige Hütten. Ein kleines Dorf lag am Südufer des Wasserlaufs, es bestand aus kaum einem Dutzend Katen und einer kleinen Holzkirche. Es war ein Fischerdorf, und die Leute beobachteten den
Seolferwulf
voller Angst. Sie fürchteten, dass wir ans Ufer kommen könnten, um ihnen auch noch das wenige zu stehlen, das sie besaßen. Stattdessen kauften wir ihnen Aal und Hering ab, bezahlten mit Silber aus dem Frankenreich und brachten ihnen ein Fass Dunholmer Ale.
    Ich ging mit sechs Männern ins Dorf und ließ die übrigen auf dem
Seolferwulf.
Die Männer, die mit mir kamen, waren Dänen aus Ragnars Truppen, und wir prahlten mit dem erfolgreichen, sommerlichen Beutezug, den wir angeblich in weit südlich gelegenen Ländern hinter uns gebracht hatten. «In unserem Kielraum stapelt sich das Gold», brüstete ich mich, und die Dorfleute starrten uns schweigend an. Vermutlich versuchten sie sich das Leben von Männern vorzustellen, die lossegelten, um an fernen Küsten auf Raubzug zu gehen. Als das Ale die Zungen etwas gelöst hatte, lenkte ich das Gespräch auf Skirnir, doch ich erfuhr recht wenig. Er hatte Männer, er hatte Schiffe, er hatte eine Famlie, und er herrschte über das Innenmeer. Offenkundig war er kein Narr. Er ließ Kampfschiffe wie den
Seolferwulf
unbehelligt durch, doch jedes andere Schiff musste bezahlen, wenn es das sichere Fahrwasser hinter den Inseln benutzen wollte, wo er seinen Schlupfwinkel hatte. Wenn ein Schiffsmeister nicht zahlen konnte, dann verlor er seine Ladung, sein Schiff und vielleicht sogar sein Leben. «Also zahlen sie alle», sagte ein Mann verdrießlich.
    «Und an wen zahlt Skirnir?», wollte ich wissen.
    «Herr?», fragte er, weil er die Frage nicht verstanden hatte.
    «Wer gestattet ihm, hier zu sein?» Doch sie kannten die Antwort nicht. «Es muss doch einen Herrn über dieses Land geben», erklärte ich und machte eine weit ausholende Bewegung in Richtung all der Dunkelheit jenseits des Feuers, doch wenn es solch einen Herrn gab, der es Skirnir gestattete, über das Innenmeer zu herrschen, dann wussten diese Dorfleute nichts von ihm. Selbst der Dorfpriester, ein ebenso behaarter und schlammverdreckter Geselle wie seine Gemeindemitglieder, wusste nicht, ob es einen Herrn der Marschen gab. «Und was verlangt Skirnir von Euch?», fragte ich.
    «Wir müssen ihm Nahrungsmittel geben, Herr», sagte der Priester.
    «Und Männer», fügte einer der Dorfleute hinzu. «Männer?»
    «Die jungen Männer gehen zu ihm, Herr. Sie dienen auf seinen Schiffen.»
    «Gehen sie aus freien Stücken?»
    «Er gibt ihnen Silber», sagte ein Mann widerwillig.
    «Und Mädchen nimmt er ebenfalls», fügte der Priester hinzu.
    «Also bezahlt er seine Männer mit Silber und Mädchen?» «Ja, Herr.»
    Sie wussten nicht, wie viele Schiffe Skirnir besaß, doch der Priester war sicher, dass nur zwei von der Größe des
Seolferwulfs
darunter waren. Wir hörten dasselbe noch einmal am nächsten Abend, als wir bei einem anderen Dorf an einem anderen Wasserlauf an dieser baumlosen Küste hielten. Wir waren den ganzen Tag gerudert, das Festland zu unserer Rechten und die Inseln nordwestlich von uns. Skade hatte uns Zegge gezeigt, doch aus unserer Entfernung unterschied es sich kaum von all den anderen Inseln. Viele von ihnen hatten Warften, doch wir waren so weit weg, dass wir keine Einzelheiten erkennen konnten. Manchmal verriet nur der dunkle Umriss einer Warft über dem Wasser, dass dort hinter der Horizontlinie eine Insel lag.
    «Was sollen wir jetzt tun?», fragte mich Finan an diesem Abend.
    «Ich weiß es nicht», gab ich zu.
    Er grinste. Das Wasser schlug klatschend an
Seolferwulfs
Rumpf. Die meisten Männer hatten sich schon in ihre Umhänge gewickelt und zum Schlafen zwischen die Ruderbänke gelegt. Skade, Finan, Osferth und Rollo, der Anführer von Ragnars Leuten, redeten mit mir auf der Steuerplattform.
    «Skirnir hat etwa fünfhundert Männer», sagte ich.
    «Vielleicht vierhundertfünfzig», sagte Skade.
    «Also töten wir jeweils sechs», sagte Rollo. Er war ein ebenso unbeschwertes Gemüt wie Ragnar. Sein Gesicht war rundlich und wirkte völlig arglos, doch dieser Eindruck

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