Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
für künftige Konflikte auf.
Die Besetzung Ägyptens, mit der sich Großbritannien ein wichtiges Verbindungsglied im globalen Netzwerk seines Empire sicherte, löste darüber hinaus beträchtliche Rückwirkungen im Beziehungsgeflecht des europäischen Mächtesystems aus, wobei sich hier aufgestaute Rivalitäten zwischen 1880 und 1900 in der sogenannten ‹Aufteilung Afrikas› entluden. Nicht nur, daß Frankreich den Verlust seines Einflusses in Ägypten durch eine groß angelegte Kolonialoffensive in Westafrika auszugleichen suchte; im zentralafrikanischen Kongo-Becken erwarb die belgische Krone ein ausgedehntes Kolonialreich. Auch das Deutsche Reich beteiligte sich an diesem Wettlauf, und als es 1885 die Schutzherrschaft über die Kolonie Deutsch-Ostafrika errichtete und damit einen Keil in die Kap-Kairo-Linie trieb, trug dies dazu bei, daß Großbritannien seinen Einflußbereich von Ägypten aus nilaufwärts erweiterte. Auch diese Expansion hatte ihre spezifische Vorgeschichte.
Zwischen 1820 und 1842 hatte der ägyptische Khedive schrittweise den Sudan seinem Herrschaftsbereich einverleibt und für dessen Verwaltung vorwiegend Europäer als Gouverneure eingesetzt. Gegen deren Modernisierungspolitik wandten sich die Anhänger eines entschiedenen islamischen Fundamentalismus. Sie erhoben sich 1882 unter der Führung eines gewissen Muhammad Ahmad in der Rolle des Mahdi, d.h. des persönlich von Gott Berufenen, gegen die ägyptische Herrschaft – genau zu dem Zeitpunkt, als in Ägypten durch den Aufstand des Arabi Pascha die Zentralgewalt lahmgelegt war. Nachdem von 1883 an die Briten de facto die Politik Ägyptens bestimmten, weigerte sich die liberale Regierung in London, um der Rückeroberung des Sudans willen das militärische Engagement Großbritanniens zu verstärken. Statt dessen ordneten sie die Evakuierung der in Khartum stationierten ägyptischen Truppen an. Mit diesem Auftrag betraute der britische Premier Gladstone 1884 den General Charles Gordon, der sich bereits im Krimkrieg und bei militärischen Unternehmungen in China (1860–1865) ausgezeichnet hatte und danach in Diensten der ägyptischen Regierung als Gouverneur des Sudan amtiert hatte. Doch der ebenso eigenwillige wie starrsinnige Gordon beschloß, entgegen seinem Auftrag, die Stadt zu halten, um dadurch eine Entlastungsoffensive und damit eine Entscheidungsschlacht gegen die Truppen des Mahdi zu provozieren. Gladstone zögerte lange, bis endlich auf den verstärkten Druck der britischen Öffentlichkeit hin eine Entsatzexpedition nilaufwärts gesandt wurde, die allerdings erst im Januar 1885 Khartum erreichte – drei Tage nachdem es von den Truppen des Mahdi erstürmt worden und Gordon gefallen war. Fortan besaß das Empire einen weiteren Märtyrer, und die imperialistisch gestimmte Öffentlichkeit wurde nicht müde, fortan Rache für Gordon zu fordern. Doch dies war nicht das Hauptmotiv für die konservative Regierung Lord Salisburys, 1898 eine britische Armee in den Sudan zu schicken, sondern es ging um die Sicherung des Niloberlaufs sowie darum, die Verbindung zu den inzwischen in Ostafrika eingerichteten britischen Protektoraten Uganda sowie dem späteren Kenia herzustellen.
Nachdem am 2. September 1898 die zahlenmäßig weit überlegenen Streitkräfte des Mahdi von den fünfundfünfzig modernen Maxim-Maschinengewehren der Armee Lord Kitcheners bei Omdurman regelrecht niedergemäht worden waren, rückten die Briten weiter nach Süden vor, um ihre Ansprüche auf den Oberlauf des Nils zu sichern. Dies erschien umso dringlicher, als die Franzosen ihrerseits von Westafrika nach Osten vorstoßend, dasselbe Ziel ins Auge gefaßt hatten. Als die Briten am 19. September den kleinen Ort Faschoda erreichten, hatte dort bereits ein französisches Expeditionskorps die französische Fahne gehißt, sah sich jedoch angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit der Form eines ägyptisch-britischen Kondominiums de facto dem britischen Empire auf Kosten Ägyptens einzuverleiben.
Als schließlich nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg der Siegermacht Großbritannien die Mandatsherrschaft über die nun in Tanganyika umbenannte ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika zugesprochen wurde, war tatsächlich eine vom Kap der Guten Hoffnung bis Kairo reichende Zone direkter bzw. indirekter britischer Kolonialherrschaft hergestellt. Cecil Rhodes’ politische Vision, die gesamte Ostküste Afrikas bis hin zum Mittelmeer auf den Atlanten rot
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