Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
1910 zur Gründung einer südafrikanischen Union kam, so war dies das Ergebnis einer von beiden Seiten betriebenen Versöhnungspolitik. Bereits 1906/1907 gewährte die britische liberale Regierung Campbell-Bannermans Transvaal und der Orange River Colony (wie der ehemalige Freistaat nun offiziell hieß) politische Selbstbestimmung als Voraussetzung für die Verhandlungen über eine Unionsverfassung unter gleichberechtigten Partnern. Vor allem aufgrund des ökonomischen Gewichts Transvaals setzten sich nun die Buren mit ihren wesentlichen Forderungen durch. Statt einer losen Föderation erreichten sie die Gründung einer eher zentralistisch ausgerichteten Union als Rahmen für die Ausbildung einer neuen weißen südafrikanischen Nation. Gleichzeitig blieb die unterschiedliche rechtliche Stellung der schwarzen Bevölkerung in den einzelnen Provinzen der Union erhalten. In Transvaal, Orange und auch Natal waren die schwarzen Afrikaner weiterhin von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen, die in der Kapprovinz wenigstens den Eigentümern von persönlichem Grundbesitz gewährt worden war. Als weiteres ‹weißes› Dominion sicherte die neue Union fortan die Präsenz des Empire in Südafrika, wobei allerdings der immer wieder beschworene Grundsatz von der Fürsorgepflicht gegenüber den eingeborenen Afrikanern aufgegeben worden war. Alfred Milner hatte dieses Dilemma bereits 1897 dem britischen Premier Asquith dargelegt und ihn darauf hingewiesen, daß eine Politik, die auf Gleichberechtigung für den schwarzen Bevölkerungsteil setze, sowohl die Buren als auch die britischen Siedler gegen sich aufbringen würde. Die Gewährung umfassender politischer Selbstbestimmung hingegen «würde Südafrika so loyal wie Kanada werden lassen – doch welcher Preis wäre dafür zu zahlen? Man würde die schwarzen Rassen, denen man Schutz und Fürsorge zugesichert hat, ihrem Schicksal überlassen».[ 25 ] Dennoch entschied man sich, den Forderungen der weißen Minorität stattzugeben und damit einen Sprengsatz für die politische Zukunft der Region zu deponieren, wie in der zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts offenkundig werden sollte.
Die Ausgangslage für die britische Expansion von Kairo aus in Richtung Süden war völlig verschieden von der Situation in Südafrika zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ägypten war seit 1517 Provinz des Osmanischen Reiches. Als Napoleon 1798 mit dem Fernziel einer Bedrohung der britischen Position in Indien zu seiner militärischen Expedition nach Ägypten aufbrach, rückte diese Region für das gesamte 19. Jahrhundert ins Zentrum britisch-französischer Rivalität. Und obwohl das Unternehmen nach der vernichtenden Niederlage der französischen Flotte bei Abukir frühzeitig gründlich scheiterte, gelang es Frankreich, zu dem seit 1805 in der Praxis selbständigen Staat Ägypten, der nur noch nominell die türkische Oberhoheit anerkannte, enge Beziehungen zu pflegen. So fiel 1854 die Konzession für den Bau des seit langem geplanten Suez-Kanals an den ehemaligen französischen Konsul Ferdinand de Lesseps. Vergeblich hatte Großbritannien versucht, den Bau zu verhindern, zumal die Anteilseigner der Kanalgesellschaft in erster Linie Franzosen waren. Als schließlich mit dem 1869 fertiggestellten Kanal ein neuer Seeweg nach Indien existierte, mußte es naturgemäß in Großbritanniens politischem Interesse liegen, daß diese Route, über die z.B. 1882 13 % des britischen Überseehandels abgewickelt wurden, nicht unter die ausschließliche Kontrolle konkurrierender Mächte geriet. Als daher – ausgelöst durch verstärkte Modernisierungsbemühungen des ägyptischen Herrschers und damit verbundene wachsende Abhängigkeiten von europäischem Kapital – die ägyptischen Staatsfinanzen vor dem Zusammenbruch standen und die ägyptischen Anteile an der Kanalgesellschaft von insgesamt 40 % 1875 zum Kauf angeboten wurden, nutzte der britische Premier Disraeli diese Gelegenheit und erwarb das Aktienpaket für 3 ¼ Mio. Pfund für den englischen Staat.
Dennoch ließ sich der Staatsbankrott nicht abwenden, und die ägyptische Regierung wurde nun zum Gefangenen ihrer europäischen Gläubiger. Eine britisch-französische Kommission mit dem Auftrag, die Interessen der Investoren wahrzunehmen, ersetzte den Khediven Ismail durch dessen Sohn Tawfik. Dagegen rebellierte schließlich ein Teil der ägyptischen Armee unter Führung des Obersten Arabi Pascha, dessen nationale antieuropäische Parolen schließlich zu
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