Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
trotz ihrer leistungsfähigen Kriegsflotte schützen konnten. Bezeichnenderweise entwickelten sich viele große Seeschlachten dieser Kriege aus Abwehrkämpfen holländischen Geleitschutzes gegen englische Angriffe auf die eigenen Handelsschiffe. Gegen die Landmacht Spanien hatte die Seemacht Holland in einem nahezu hundertjährigen Krieg triumphieren können; gegen die sich gerade formierende Seemacht England, deren Wirtschaft im 17. Jahrhundert noch nicht vom Fernhandel abhängig war, blieb sie hingegen chancenlos.
Nachdem England gegen Ende des 17. Jahrhunderts die holländische Konkurrenz in Übersee weitgehend ausgeschaltet hatte, war damit die Voraussetzung für künftige Allianzen der beiden Seemächte geschaffen, die, ähnlich wie einst gegen Spanien, nun gegen die Hegemonialbestrebungen Ludwigs XIV. gerichtet waren. Man sah sich dabei einer doppelten Gefahr gegenüber, denn gleichzeitig baute Frankreich seine Macht zur See und in Übersee aus, um unter Anwendung der Lehren und Methoden des Merkantilismus seine finanziellen Resourcen auch durch einen staatlich geförderten Kolonialhandel zu stärken.
Ähnlich wie England war Frankreich unter den nach Übersee expandierenden europäischen Mächten ein Nachzügler gewesen. Auch die Franzosen hatten zu Beginn des 17. Jahrhunderts erste eigene Niederlassungen in der Randzone des westindischen Archipels sowie nördlich der englischen Siedlungen an der amerikanischen Küste gegründet. Doch die Ansätze zu einer konsequenten staatlich gelenkten Kolonialpolitik durch Kardinal Richelieu scheiterten. Als dieser 1642 starb, zählten die französischen Niederlassungen im kanadischen Raum lediglich 3000 Siedler, zu einer Zeit, als die benachbarten Neu-Englandstaaten bereits mehr als 20.000 Einwohner hatten. Doch als 1661 Ludwig XIV. Colbert zum Minister für Finanzen, Handel, Marine und Kolonien machte, wurde Frankreich sowohl in Amerika als auch in Indien rasch zum ernsthaften Konkurrenten Englands, zumal es gleichzeitig seine Seestreitkräfte gezielt verstärkte. Anders als in England beschränkte sich Colberts kolonialer Merkantilismus nicht auf die gesetzlichen Rahmenvorschriften für eine Regulierung des Handels und ihre Überwachung; vielmehr wies er dem Staat eine wesentlich aktivere Rolle zu. Sämtliche französischen Außenhandelsaktivitäten wurden in zwei großen Handelskompanien organisiert, von denen die eine für die westliche Hemisphäre (Amerika, Westindien und Afrika) zuständig war und die andere als neue Ost-Indien-Gesellschaft nicht nur für 50 Jahre ein Monopol für den Bereich des Indischen Ozeans erhielt, sondern gleichzeitig durch staatliche Garantien für zehn Jahre gegen finanzielle Einbußen abgesichert wurde. In Amerika schuf Colbert für die Kolonie Nouvelle France eine zentralistisch ausgerichtete staatliche Verwaltung.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts besaß bzw. beanspruchte Frankreich weite Landstriche in Amerika, die sich wie eine Klammer um die englischen Kolonien an der Küste legten und deren weitere Expansion bedrohten. Dies waren Acadia (Neuschottland) und Neu-Frankreich im Tal des St. Lorenz-Stroms und dem Bereich der Großen Seen sowie militärische Stützpunkte und Handelsniederlassungen im Tal des Ohio und des Mississippi, den der Franzose La Salle 1682 bis zur Mündung befahren und das gesamte Gebiet nach seinem König Louisiana benannt hatte; 1718 wurde dann im Mündungsgebiet des riesigen Stromes Nouvelle Orléans gegründet. Dabei hatte sich Colbert bemüht, die französische Position durch eine gezielte Auswanderungs- und Siedlungspolitik entsprechend zu stärken. Einzelpersonen konnten große Landlose (Seigneurien) erwerben, die in Einzelparzellen aufgeteilt durch Pächter bewirtschaftet wurden. Ehemalige Soldaten erhielten freie Schiffspassage sowie Grund und Boden, Werkzeug, Vieh und Saatgut und wurden in Kanada an strategisch bedeutsamen Punkten angesiedelt. Dennoch war diese Politik nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Da Frankreich nicht bereit war, seine Kolonien mit Dissidenten, Straftätern und arbeitslosen Armen zu bevölkern, es andererseits aber für qualifizierte Arbeiter und Handwerker wenig Anreize zur Auswanderung gab, da in Frankreich selbst Erwerbsmöglichkeiten im Überfluß bestanden, wuchs die Bevölkerung Kanadas bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zwar schließlich auf ca. 50.000, blieb aber damit noch weit hinter der der englischen Kolonien zurück, die zur selben Zeit über 900.000
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