Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
Vom Netzwerk:
Bunde mit dem Großmogul Shah Alam mit ihrem letzten Versuch, die Briten aus Nordostindien zu vertreiben, in der Schlacht von Buxar gescheitert waren, ging Clive daran, die Position der Company endgültig zu sichern. Zu diesem Zweck ließ er ihr vom Großmogul die diwani übertragen, d.h. die zivile Verwaltung und das Recht der Steuereinziehung für die Provinzen Bengalen, Bihar und Orissa. Auch wenn noch formal im Besitz gewisser Hoheitsrechte, war der Mogul damit de facto zum Pensionär der Kompanie geworden, die sich allerdings bei der Ausübung ihrer Herrschaft weiterhin einheimischer Institutionen bediente.
    Der so durch Clive eingeleitete Beginn britischer Territorialmacht in Indien hatte nicht nur für die Kompanie und deren Verhältnis zur britischen Regierung, sondern für das gesamte Empire und natürlich für die Zukunft des asiatischen Subkontinents weitreichende Folgen. Im Vordergrund standen zunächst die unmittelbaren Auswirkungen der Eroberung Bengalens auf die Company. Neben dem florierenden Teehandel, der im 18. Jahrhundert das Kerngeschäft ihrer Handelsaktivitäten bildete, versprach die Eroberung Bengalens zusätzliche Einnahmen. So zahlten der nach dem Sieg bei Plassey von Clive eingesetzte Nabob und dessen Nachfolger zwischen 1757 und 1765 mehr als zehn Millionen Pfund an die Kompanie. Daneben machten deren Angestellte auf eigene Faust reiche Beute. In Bengalen erhielten sie von dem besiegten Fürsten ‹Geschenke› im Wert von 660.000 Pfund, davon gingen 234.000 Pfund und das Recht an Steuereinnahmen von jährlich 34.500 Pfund allein an Clive. Und Sir Thomas Rumbold, Gouverneur der Kompanie in Madras, kehrte nach seiner kurzen, nicht einmal zwei Jahre währenden Amtszeit mit einem Privatvermögen von 750.000 Pfund nach England zurück; eine ungeheure Summe angesichts der Tatsache, daß sich in dem guten Geschäftsjahr 1763 der insgesamt erzielte Gewinn der Gesellschaft auf etwas über eine Million Pfund belief. Zwei Jahrhunderte zuvor hatten Engländer, wie Sir Walter Raleigh, vergeblich nach dem Goldland Eldorado gesucht; nun hatte man es offenkundig in Indien in Besitz genommen. Kein Wunder, daß die Übernahme der diwani zu einem kräftigen Anstieg des Aktienkurses der Kompanie und zu einer nachhaltigen Erhöhung der Dividende führte.
    Solche Reichtümer weckten die Begehrlichkeit des Staates, der von 1767 an jährlich 400.000 Pfund dafür kassierte, daß er vorerst darauf verzichtete, entscheidend in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft einzugreifen, wozu inzwischen hinreichend Anlaß bestanden hätte. Schon bald wurde offenkundig, daß die Kompanie durch ihren Machtzuwachs in Indien und dessen finanzielle und politische Konsequenzen überfordert war; was zu schönsten Hoffnungen zu berechtigen schien, führte geradewegs in eine Existenzkrise. Denn in Indien kam es zu weiteren besorgniserregenden kriegerischen Verwicklungen. Zudem wurde das nun von der Gesellschaft verwaltete Bengalen 1770 von einer katastrophalen Hungersnot heimgesucht, die ein Drittel der Bevölkerung hinwegraffte, und in London drohte 1772 der finanzielle Bankrott.
    Grund für diese Krise war vor allem, daß die neuen Aufgaben in einer veränderten Situation nicht im Rahmen der gegebenen Strukturen bewältigt werden konnten. Angesichts einer Entfernung, die immer noch mehr als ein halbes Jahr für die Nachrichtenübermittlung erforderte, konnte das in London ansässige Direktorium der Gesellschaft zwar allgemeine Richtlinien vorgeben, deren Befolgung aber nicht sicherstellen. Hinzu kam, daß diese Direktoren in der Regel mit den indischen Verhältnissen nicht aus eigener Anschauung vertraut waren. De facto wurden selbst weitreichende Entscheidungen durch die Akteure vor Ort gefällt und umgesetzt. Und wenn diese dabei von ihren eigenen Interessen, d.h. ihrem persönlichen Gewinnstreben, geleitet wurden, so hatte das durchaus Tradition: Die Gesellschaft zahlte ihren Angestellten in Indien so kümmerliche Gehälter, daß sie seit jeher darauf angewiesen waren, auch Geschäfte auf eigene Rechnung zu tätigen, wobei sie, etwa in der Rolle von Kreditgebern und Lieferanten einheimischer Herrscher, leicht in innerindische Machtkämpfe verwickelt werden konnten. Während die Leitung der Gesellschaft in London noch der Illusion anhing, man könne in Indien weiterhin wie bisher in einem friedlichen Umfeld profitablen Handel treiben, gingen dort ihre Zielsetzungen im Sog der wuchernden Interessen privater Händler und

Weitere Kostenlose Bücher