Das Buch aus Blut und Schatten
Erschöpfung, der Blick entspannt und aus dem Durcheinander plötzlich das Boot auftaucht oder das Einhorn oder der Baum oder was auch immer man krampfhaft zu erkennen versucht.
ÎΧ ΣΤÎÎÎÎ ÎÎÎÎΡ Î¥ÎÎΡΡÎΣΧΥÎÎÎÎ
Sie hatte recht. Es war gar kein Griechisch. Auf der Chapman Prep hatte man uns in der neunten Klasse neben diversen anderen Merkwürdigkeiten auch das griechische Alphabet beigebracht, irgendwo zwischen Square Dance und dem Prolog der Canterbury Tales . Ich hatte keine Mühe, die Buchstaben in meinem Kopf aufzusagen. Iota. Chi. Sigma. Tau. Epsilon â Ich steâ¦
»Ich stecke voller Ãberraschungen«, las ich. »SüÃ.«
Sie lächelte. »Versuchâs mal mit brillant.«
Es sprach überhaupt nichts dagegen.
23 ÎΠΣÎÎΡΣΠÎÎΡΠÎÎÎΣ ÎÎ ÎÎ ÎΡÎÎΤÎΣΤ ΡÎÎÎÎΣ ÎΡÎÎΤÎΣΤ ÎΡÎÎΤÎÎÎ
The sacred earth lies by the greatest rabbiâs greatest creation.
Die heilige Erde liegt neben der gröÃten Schöpfung des gröÃten Rabbis.
Wie sich herausstellte, hatte Prag nur einen »gröÃten Rabbi«: Judah Löw, alias Jehuda ben Bezalâ el Löw, alias Maharal aus Prag, alias Chefrabbiner von Prag, geboren 1520, gestorben 1609 und begraben unter dem meistbesuchten Grabstein auf Prags altem jüdischen Friedhof. Der Rabbi war dem Reiseführer zufolge vor allem dafür bekannt, dass er aus dem Schlamm der Moldau eine lebende Kreatur erschaffen hatte. Ein Lehmklumpen ohne Gehirn in der Form eines Menschen, dem er den Segen Gottes Leben eingeflöÃt hatte. Oder, wie Elizabeth es beschrieben hatte, »heilige Erde, die einst als seelenloser Mensch auf der Erde wandelte«, geschaffen von »dem heiligen Mann, der auf diese Weise fast zum Gott geworden wäre«. Eine Kreatur ohne Herz, ohne Gehirn, ohne Atem, ohne Seele; tote Materie, die durch einen Funken unmöglichen Lebens bewegt wurde. Ein Golem.
Der Rabbi hauchte seiner monströsen Kreatur jede Woche neues Leben ein, indem er den Shem ha-Mephorash , den vollständigen Namen Gottes, auf einen Zettel schrieb und ihn dem Golem unter die Zunge legte. Tagaus, tagein tappte die einfältige Kreatur gehorsam durch das jüdische Ghetto, sie wischte den FuÃboden, knetete die Challa und bestrafte die Gojim, die sich Mut angetrunken hatten und der Meinung waren, dass sie Anspruch auf den jüdischen Reichtum oder jüdische Frauen hatten. An jedem Sabbat zog der Rabbi den Zettel und damit auch den Segen aus dem Mund des Golems. Der Lebensatem, der spiritus , der nfesh , oder welche göttliche Kraft auch immer in den Klumpen Lehm gefahren war, verschwand und der Lehm war wieder nur Lehm, sonst nichts. Staub kehrte zu Staub zurück. Bis zu dem Sabbat, an dem der Rabbi vergaÃ, den Zettel zu entfernen, und sein Frankenstein-Monster, dem das wöchentliche Schläfchen fehlte, im Ghetto Amok lief und es fast bis auf die Grundmauern niederbrannte. Danach wurde dem Golem der Segen für immer entzogen und der Schlamm ging in Ruhestand. Es gab keinen Zweifel dran, dass das hier die heilige Erde war, die wir brauchten. Es gab nur ein Problem. Der Golem war eine Legende. Elizabeth hatte uns auf die Suche nach einem Märchen geschickt.
Noch eins.
Josefov, das alte jüdische Viertel, lag mitten in der Stadt. Angeblich war es schon im 10. Jahrhundert besiedelt worden, dann noch einmal ein Jahrhundert später, als eine Bande aus zwanzigtausend Kreuzrittern durchmarschiert und alle abgeschlachtet oder im Namen Gottes konvertiert hatte. Im goldenen Zeitalter der Renaissance, als Kaiser Rudolf seinem Volk wohlgesonnen war und seine anderen Untertanen zumindest halbherzig davon abhielt, das Viertel regelmäÃig zu plündern, lebten dort zehntausend Menschen. 1895, als es zu einem Elendsviertel verkommen war und in den nach Urin stinkenden StraÃen nur noch jene bedauernswerten Juden wohnten, die zu arm waren, um in einen anderen Teil der Stadt zu ziehen, wurde es dem Erdboden gleichgemacht. Kurz danach baute man es wieder auf, aber obwohl in Prag über hunderttausend Juden lebten, waren im jüdischen Teil der Stadt nicht mehr viele Juden übrig; dann kam der Holocaust und es waren nirgendwo mehr viele Juden übrig.
Wir hatten vorgehabt, in dem Viertel nach
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