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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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das kalte Wasser, das kein Wasser war und nach Krankheit roch, und legte meine Finger um zwei Eier, die keine Eier waren und sich anfühlten, als würde das Leben in ihnen pulsieren. Im Schatten der Prager Burg hielt ich einmal ein frisch geschlüpftes Küken in meiner hohlen Hand und spürte seine feuchten, klebrigen Federn und sein vor Angst rasendes Herz auf meiner Haut. Das hier fühlte sich genauso an.
    Der mechanische Mann auf dem Tisch wartete.
    Mit einem feuchten Schmatzen versanken die Augen in den Höhlen, ein Geräusch, als würde man einer verwesenden Leiche die Gliedmaßen abreißen. Es waren nur Augen in einem Käfig aus Metall, doch in diesem Moment glaubte ich wirklich, dass ich den Mann zum Leben erweckt hatte und dass die Augen sich an mir rächen würden.
    Aus der Dunkelheit drang Applaus zu mir.
    Cornelius Groot trat ins Licht.
    â€“ Ich sehe, dass das Blut Eures Vaters in Euren Adern fließt.
    Vergib mir, Bruder, doch da hätte ich um ein Haar die Worte ausgesprochen, die ich mir so lange versagt habe. Beinahe hätte ich diesem Mann gegenüber verkündet, dass unser Vater nicht unser Vater war, dass unser richtiger Vater schon lange tot war und Edward Kelley zwar seine Kleidung und seine Frau übernommen hatte, aber keinen Anspruch auf mein Blut erheben konnte.
    Ich schluckte diese Worte hinunter, nicht aus Liebe zu unserem Vater, sondern, weil ich wusste, dass sie eine Lüge waren. Durch meine Adern mag das Blut eines anderen Mannes fließen, doch durch meine Seele fließt Edward Kelleys Blut. Er ist mein richtiger Vater und Groot hat das erkannt, von Anfang an.
    â€“ Seit vielen Jahren mühe ich mich ab, Leben zu schaffen, so wie Euer Vater sich abgemüht hat, es zu übertreffen.
    Wir setzten uns zusammen vor die erste Seite der Übersetzung, die unser Vater angefertigt hatte.
    â€“ Nur Gott kann die Macht gewähren, Leben zu schaffen. Nur Gott kann die Seele eines Menschen kennen, so wie nur Er Anfang und Ende des Universums kennen kann. Nur Gott kann wirklich verstehen und nur Gott kann wirklich zerstören. Gott zu kennen, heißt, unendliche Macht zu kennen. Das wäre ein Wunder. Das Lumen Dei ist dieses Wunder. Wir beide werden es bauen. Wir beide werden eine Leiter zum Göttlichen bauen.
    Blasphemie, flüsterte ich.
    Das erzürnte ihn, und als er sprach, lag ein drohender Unterton in seiner Stimme.
    â€“ Blasphemie ist eine Erfindung der Kirche, die uns unsere Fragen vorschreibt und ihre eigenen Antworten darauf gibt.
    Unser Vater hatte nicht viel für die Kirche übrig, welche ihm sogar noch weniger Wertschätzung entgegenbrachte, doch solche Worte waren unklug. Die Kirche glaubte, der Kaiser sei mit dem Teufel im Bunde, und ich wollte nicht, dass er mich dazu benutzte, ihnen das Gegenteil zu beweisen.
    â€“ Fragen zu stellen, ist die Pflicht eines Naturphilosophen. Wir streben nach der Vereinigung von Mensch und Maschine, von Himmel und Erde. Auch das Lumen Dei ist eine Frage, eine, derer wir uns würdig erweisen müssen, bevor wir sie stellen dürfen. Der Herr offenbart sich uns in der Natur, in der Kunst, in der Geometrie oder seid Ihr anderer Meinung?
    Ich konnte ihm nicht widersprechen. In seinen Worten ging es um die Wahrheit, die im Mittelpunkt meines Lebens stand.
    â€“ Wer wenn nicht Gott hat uns das Streben nach Wissen und die Fähigkeit, es zu begreifen, gegeben? Wir müssen nur den Willen aufbringen zu fragen. Werdet Ihr Euch mir anschließen, so wie es der Wunsch Eures Vaters gewesen ist?
    Ich schloss mich ihm an, liebster Bruder. Für unseren Vater. Doch nicht nur für unseren Vater.
    Also glaubte sie daran. Mehr als das: Sie wollte es. Ich konnte es verstehen. Sie hatte ihren Vater verloren, ihren Besitz, ihr Heim, ihre Macht und jetzt bot ihr jemand die Kontrolle über Leben und Tod, über alles an. Eli hatte recht: Wenn es das Lumen Dei wirklich gab, würde es Leute geben, die dafür töteten. Stattdessen waren sie dafür gestorben – für eine tröstliche Erfindung. Fast wünschte ich, dass es für mich so einfach wäre wie für sie. Dass ich in einer Welt lebte, in der Gott keine persönliche Entscheidung, nicht einmal eine Notwendigkeit war, sondern einfach eine Tatsache unseres Daseins, so offensichtlich und gegenwärtig wie der Himmel und die Erde. Denn dann hätte es wenigstens einen Grund für ihren Tod gegeben. Für alles, was

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