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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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einverstanden, dass die Hochzeit frühestens in zwei Jahren stattfinden wird. Es liegt jenseits meiner Vorstellungskraft, dass es in dieser Welt noch Glück geben kann, und doch geht ein Strahlen über Johannes Leos Gesicht, wenn ich im Raum bin. Ich weiß, dass die Sicherheit, die dieser Bund mit sich bringt, unsere Mutter mit großer Freude erfüllen wird. Und Dich vielleicht auch. Was mich angeht, so habe ich gelernt, den Duft von Flieder zu ertragen, so wie ich es auch lernen werde, die Berührung seiner Hand zu ertragen. Inzwischen weiß ich, was die Leere füllt, die die Liebe hinterlässt. Man nennt es Notwendigkeit und ich werde mich ihr nicht verweigern.
    Als ich Max wieder anstupste, hob er nicht einmal den Kopf.
    23 Ich übersetzte den Brief, als ich das nächste Mal allein war. Abends war ich schon lange nicht mehr allein in die Kirche gekommen. Max wollte nicht, dass ich ohne ihn hinging. Warum, brauchte er nicht zu sagen. Über den Abend mit dem Blut an der eingeschlagenen Scheibe redeten wir nie, doch vergessen hatte ihn keiner von uns beiden. Ich fand es ja süß, dass Max mich beschützen wollte, aber es war wohl eher Theorie als Praxis; er zuckte schon bei einem angedeuteten Faustschlag zusammen.
    Zum Glück konnte ich auf mich selbst aufpassen.
    Das Lampenlicht tauchte das Büro in ein sanftes orangefarbenes Glühen, Wärme strömte laut zischend aus den knackenden Heizungsröhren. Obwohl der Frost die Fensterscheiben mit Eiskristallen überzogen hatte, war es nicht kalt im Büro. Ich hatte mir eingeredet, dass ich mich lediglich allein von ihr verabschieden wollte, eine dumme, sentimentale Geste dem Mädchen gegenüber, das Max und mich in gewisser Weise zusammengebracht hatte. Aber in Wahrheit lag es daran, dass ich ihre Biografie gelesen hatte. Ich wusste, wie die Geschichte ausging.
    E. J. Weston grüßt ihren liebsten Bruder, begann er, wie die meisten.
    Du hast einmal gesagt, Du würdest mir alles verzeihen, und daher bitte ich Dich jetzt um Verzeihung für mein langes Schweigen. Dafür verzeihe ich Dir Deines. Die Antworten, die Du suchst, warten in Prag auf Dich, so auch das Lumen Dei selbst. Es ist Dein Geburtsrecht und ich will nicht, dass es mein Leben noch länger vergiftet.
    Das ist eine Lüge. Ich wünschte, es würde für immer ein Teil von mir sein. Doch wenn ich überleben will, muss ich damit abschließen. Johannes redet von Kindern, doch trocken und leer wie ich bin, habe ich nichts mehr zu geben. Aber ich kann ihm diesen Wunsch nicht abschlagen, selbst wenn er es mir gestatten würde. Und falls es Kinder geben sollte, muss es enden, bevor sie leben können.
    Drei mal drei, dort wirst Du mich finden.
    Ich überprüfte die Übersetzung der letzten Zeile, doch ich hatte keinen Fehler gemacht – es ergab einfach keinen Sinn. Genauso wenig wie die sonderbaren Vierzeiler, die darauf folgten. Elizabeth hatte ihrem Bruder schon vorher einige ihrer Gedichte geschickt, doch diese hielten sich streng an Reim und Versmaß und waren vom Inhalt her leicht verständlich. Sie erinnerten an die Lyrik des klassischen Roms, nicht an einen Poetry Slam von Amateuren im Café um die Ecke. Das hier war etwas ganz anderes als sonst.

    Winter wissen von den Schatten in jenem Wort.
    Solange auch dunkles Gesetz suchet den Dieb
    Und das gute Gesetz sich Deiner Stadt bemächtigt
    Für jene, die außerhalb des Wortes stehen.

    In unsrer Epoche gebührt Ihm, drunten,
    Unwissentlich ein klägliches Gebet
    O mein beschützender Geist
    O wenn der reine Nektar der Ungläubigen lebet bei dir.

    Mein Gesetz ist ein laues Ideal
    So opferte ich den Hund der Dunkelheit
    Erquicke Deine Seele in meinem Heim
    Auf jene Art saget die Sonne all dies weis.
    Erinnere Dich, was uns unser Vater in den
    Stunden unter der Linde gelehrt hat, und Du
    wirst wissen, wo Du beginnen musst.
    Dann brach der Text ab, mehrere Zentimeter auf der Seite waren leer geblieben. Als sie den Brief fortsetzte, schrieb sie in einer dunkleren Tinte, mit zitternder Hand.
    Mein geliebter Bruder. Mein lieber, lieber Bruder. Mein Bruder. Ich wollte gerade meinen Brief fortbringen lassen, als der Deine eintraf. Dein Brief, unvollendet, mit dem Postskript, das Dein Lehrer hinzugefügt hat.
    Jetzt wird mir bewusst, dass ich gelogen habe, denn ich kann Dir Dein Schweigen nicht verzeihen, nicht, da ich nun den Grund dafür kenne.
    Ich schreibe

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