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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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ihm.
    Â»Womit?« Er küsste meine Wange. »Damit?« Er fuhr mit dem Finger über meinen Wangenknochen und legte ihn dann auf meine Lippen. »Oder damit?«
    Ich lächelte. Es hatte noch andere Vorteile, nur dann ins Büro des Hoff zu kommen, wenn Max und ich allein sein konnten.
    Â»Mir beim Arbeiten zuzusehen«, erklärte ich. »Es lenkt mich ab.«
    Â»Ich muss dir nicht zusehen. Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir helfen könnte…«
    Â»Und ich hab dir gesagt, dass ich besser in Latein bin als du, daher brauche ich deine Hilfe nicht. Jedenfalls nicht bei Latein.« Ich beugte mich zu ihm, um ihn zu küssen, doch er wich zurück.
    Â»Okay«, erwiderte er steif. »Vergiss, dass ich gefragt habe.«
    Â»Max…«
    Â»Nein, du hast recht. Ich lenke dich ab.« Laut quietschend rückte er seinen Stuhl auf die andere Seite des Tisches. »Besser?«
    Â»Du bist albern.«
    Â»Ich tu nur das, was du willst.«
    Ich unterdrückte ein Seufzen. »Du hast recht. Ich bin albern.« Ich schob meinen Stuhl zu ihm. »Lenk mich ab.«
    Â»Vergiss es einfach.«
    Ich nahm ihm den Stift aus der Hand. »Ich kann dich ja auch mal ablenken«, meinte ich. Endlich sah ich den Anflug eines Lächelns bei ihm, im Mundwinkel und in den Fältchen um seine Augen. Ich schob ihm die Haare aus den Augen und küsste ihn und dann lenkten wir uns für den Rest des Abends gegenseitig ab.
    Er war supersensibel und er war launisch. Wenn Adriane sich darüber beschwerte, konnte ich nichts entgegnen, da ich ihr nicht die Wahrheit sagen wollte – dass es mir nichts ausmachte. Und nicht nur, weil es zu den Dingen gehörte, die ihn zu Max machten, sondern weil es einer der Gründe war, weshalb ich wollte, dass er mir gehörte.
    Ich hatte schon vor Adriane und Chris Freunde gehabt, Freunde, mit denen ich mich hervorragend verstanden hatte, weil wir alle gleich waren. Wir hatten gegrübelt, wir hatten uns verrückt gemacht, wir hatten das Dunkle gesucht, wir hatten Geheimnisse miteinander geteilt und wir hatten vieles für uns behalten. Wir waren die besten Freunde gewesen, bis zum Unfall meines Bruders, und dann waren wir überhaupt keine Freunde mehr gewesen; weil ich nach Andy keine Trauer mehr ertragen konnte und keine Geheimnisse mehr teilen wollte. Nach Andy wollte ich unkomplizierte Freunde und Adriane und Chris waren genau das – unkompliziert. Sie glaubten an das, was an der Oberfläche war, und nahmen die Dinge so, wie sie zu sein schienen. Sie glaubten, dass das Leben einfach und gut war, und sie taten alles, damit es so war. Sie lachten, sie plauderten ihre Geheimnisse aus, als wäre das gar nichts, was ja auch zutraf, und sie stellten keine Fragen. Sie waren unkompliziert gewesen, als ich unkomplizierte Freunde gebraucht hatte, und auch wenn ich nicht so sein konnte wie sie, so hatten sie mir zumindest beigebracht, wie man sich verstellte.
    Max dagegen war anstrengend. Er war kompliziert und finster, voller Geheimnisse, nach denen ich ihn lieber nicht fragte und von denen ich lieber nichts wusste.
    Bei Max brauchte ich mich nicht zu verstellen.
    Töricht? Selbstsüchtig? Deine Worte treffen mich, vor allem, weil ich weiß, dass Du sie von unserer Mutter geborgt hast. Ist es töricht, Johannes Leo zurückweisen, obwohl er doch so viel für uns tun könnte? Ist es selbstsüchtig, unserer Mutter das Leben vorzuenthalten, das sie einst gewohnt war und das ihr der Verbrechen unseres Vaters wegen vorenthalten wird? Vielleicht ist es ja nicht so wichtig, dass Johannes nach Tabaköl stinkt, das er sich aus Eitel auf die Haut reibt, dass seine Hände so feucht wie Fischschuppen sind, und dass er sich so wenig für Cicero und Dante interessiert wie ein tollwütiger Hund für Wasser. Doch es ist wichtig.
    Ich bringe hier vernünftige Argumente vor, doch meine Wahl geht über Vernunft hinaus. Es gibt keine Wahl. Tho mas gehört zu mir und ich zu ihm. Und wenn unsere prekäre Lage für unsere Mutter so sehr von Belang ist, dann sollte sie vielleicht ihre Tränen trocknen und etwas dazu beitragen, diesen Zustand zu verbessern. Eine Tochter hat die Pflicht, ihrer Mutter zu dienen, und das habe ich voller Stolz getan. Doch wenn ich für unser Überleben verantwortlich bin, dann ist es doch gewiss auch an mir, über unser weiteres Vorgehen zu entscheiden. Ich ehre unsere Mutter, doch ich kann mich ihrem

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