Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit zugängliches Archiv von unschätzbarem Wert.
    Du bist der Einzige, der hinter meine Worte geblickt und das gesehen hat, was echt ist.
    Vielleicht waren all das gute Gründe für das, was ich als Nächstes tat, doch sie kamen mir erst hinterher. Als es passierte, suchte ich keine rationale Erklärung oder Rechtfertigung dafür und es war mir egal, wie viel dieses historische Erbe wert war oder was geschehen würde, wenn jemandem auffiel, dass der Brief verschwunden war.
    Ich faltete ihn einfach zusammen und steckte ihn zwischen die Seiten meines Notizblocks. Dann verstaute ich den Block in meinem Rucksack, schaltete das Licht aus und ging nach Hause.
    24 Ich bin eine Diebin.
    Dieser Satz ging mir die ganze Nacht lang wie ein Trommelschlag durch den Kopf, auch noch am nächsten Tag und dem darauffolgenden Tag. Ich wusste nicht, wie viel der Brief wert war, aber er war vierhundert Jahre alt, daher war es vermutlich… eine Menge. Wie sollte ich mich rechtfertigen, wenn jemand herausfand, dass ich ihn geklaut hatte? Welches College würde mich noch nehmen, wenn ich wegen schweren Diebstahls verurteilt wurde? Dabei würde das College noch das geringste meiner Probleme sein. Aus der Chapman Prep würde man mich hochkant rauswerfen, dann musste ich wieder auf eine öffentliche Highschool gehen und vor Stinkbomben in Deckung gehen, Blutspritzern ausweichen und bei den regelmäßigen Drogentests mitmachen (die mit einem blühenden Schwarzmarkt für saubere Urinproben einhergingen).
    Aber ich bedauerte nicht, den Brief genommen zu haben.
    Und ich wollte ihn nicht zurückgeben.
    Ich mied die Kirche, den Hoff und vor allem Max, denn ich war sicher, dass ihm ein Blick genügte, um genau zu wissen, was ich getan hatte.
    Er würde es nicht verstehen.
    Drei Tage waren vergangen, als am Samstagmorgen mein Handy klingelte. Um ein Haar hätte ich den Anruf auf meine Mailbox geleitet, so wie seine anderen Anrufe, und dann eine SMS mit der lahmen Ausrede geschrieben, dass ich die Grippe bekäme und meine Stimme weg sei. Aber ich konnte ihm nicht für immer aus dem Weg gehen, daher nahm ich das Gespräch an, vergaß aber nicht, kräftig zu husten.
    Â»Wo bist du?« Er schien völlig außer sich zu sein.
    Â»Zu Hause.« Ich hustete noch mal. »Ich bin…«
    Â»Du musst in die Kirche kommen«, sagte er. In seiner Stimme lag ein hoher, zitternder Ton, den ich vorher noch nie bei ihm gehört hatte.
    Â»Ist was passiert?«
    Â»Ich hab ihn… ich hab gesehen… ich weiß nicht…« Er atmete zu schnell.
    Â»Max!«
    Â»Komm einfach«, stammelte er. »Bitte. Sie haben gesagt, dass ich jetzt auflegen muss, ich muss aufhören… Ich hab ihn gefunden.«
    Freizeichen.
    25 Warnleuchten.
    Ich sah schon von einem Häuserblock entfernt, wie sie die Kirche in rhythmisches Rot, Rot, Rot tauchten. Ich trat schneller in die Pedale, ließ mein Fahrrad ins Gras fallen – und in dem Moment entdeckte ich die Tragbahre.
    Polizisten. Rettungssanitäter. Die obligatorische Menschenmenge aus gaffenden Studenten, allerdings war es nur eine Handvoll, die, die keinen Kater ausschlafen mussten. Und da stand auch Max, einen Arm um Adrianes Schulter gelegt, mit dem anderen wild gestikulierend, während er einem Polizisten etwas erklärte. Max und Adriane, aber kein Chris.
    Ich könnte auf mein Rad steigen und wegfahren, dachte ich. Flüchten, bevor es – was immer es auch war – real wurde.
    Stattdessen: »Was ist passiert?«
    Max ließ seinen Arm sinken, Adriane wich zurück. Beide waren blass.
    Â»Jemand ist eingebrochen«, sagte Max. Er nahm meine Hand und drückte sie. »Ich bin heute Morgen gekommen und habe ihn auf dem Boden gefunden…«
    Die Trage war im Rettungswagen verschwunden, der jetzt mit heulenden Sirenen die Straße hinunterraste. Sirenen waren gut, dachte ich. Leichen hatten es nicht eilig.
    Â»Wen hast du gefunden?«
    Max machte den Mund auf. Es kam kein Ton heraus.
    Â»Den Hoff«, sagte Adriane.
    Hinterher hasste ich mich dafür, doch in diesem Moment war Erleichterung alles, was ich empfand.
    Adriane schüttelte sich. »Er… er lag einfach nur da. Wir dachten, er wäre tot, aber dann hat er, na ja, gezuckt.«
    Der Polizist räusperte sich. Mit der dicken Brille und den Sorgenfalten auf der Stirn sah er ein bisschen aus wie mein Vater, bis auf die roten

Weitere Kostenlose Bücher