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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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sich die Tür. »Wie geht es uns denn heute, Mr Hoffpauer?« Ein junger Arzt stand in der Tür, die schwarzen Haare zu spitzen Stacheln gegelt, im rechten Ohr einen winzigen Silberstecker. Sein Aussehen hätte ihm Beifall – und vermutlich ein paar kostenlose Yogaübungen – von Adriane eingebracht, ließ ihn aber nicht unbedingt kompetent wirken.
    Â»Ich glaube, er schläft«, sagte ich, als der Hoff nicht auf den Arzt reagierte.
    Â»Sind Sie mit ihm verwandt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin so etwas wie eine Studentin von ihm. Er hatte wohl nach mir gefragt.«
    Die Miene des Arztes erhellte sich. »Sie müssen Nora sein. Ja, er war ziemlich hartnäckig.«
    Â»Er schien nicht wirklich… ich meine, er hat so gelallt, als würde er nicht wissen, was er sagt.«
    Â»Das ist bei einem neurologischen Vorfall dieser Schwere ganz normal.« Der Arzt griff nach einem Klemmbrett am Fuß des Betts, blätterte die Seiten durch und nickte bei allem, was er sah. »Hat er gewusst, wo er ist?«
    Ich nickte. Und dann, weil er immer noch in die Unterlagen auf dem Klemmbrett vertieft war, sagte ich: »Ja. Er hat versucht, mir etwas zu sagen, aber ich habe ihn nicht verstanden. Ich glaube, er hat sich aufgeregt. Meinetwegen.«
    Â»Er ist wütend geworden, stimmt’s?«, erkundigte sich der Arzt. »Machen Sie sich keine Sorgen, auch das ist normal. Mit irrationalen emotionalen Ausbrüchen muss man rechnen.«
    Ich wollte ihn darauf hinweisen, dass es ganz und gar nicht irrational war, wenn man mit einem ruinierten Körper und einem defekten Gehirn in einem Krankenhausbett lag und wütend wurde. Aber ich wollte Antworten haben. Und ich hatte den Verdacht, dass ich nicht viele bekam, wenn ich jetzt ebenfalls einen irrationalen emotionalen Ausbruch hinlegte.
    Â»Dann war es also tatsächlich ein Schlaganfall?«, fragte ich.
    Â»Oh, daran gibt es keinen Zweifel.«
    Â»Und wäre es möglich… ich meine, kann man so etwas auch verursachen? Absichtlich?«
    Meine Frage schien ihn nicht zu überraschen. »Zu viel Stress für den Körper oder das Nervensystem ist natürlich nicht gerade förderlich. Und bestimmte Medikamente können dazu führen, dass…« Er runzelte die Stirn, als hätte er mehr gesagt, als er wollte. »Wir warten noch auf den Ultraschall, aber ich vermute, dass er schon seit einer Weile transitorische ischämische Attacken hatte, das kann man sich als eine Art Minischlaganfälle vorstellen. Hat er sich irgendwie merkwürdig benommen? Hat er etwas getan oder gesagt, das keinen Sinn ergibt?«
    Â»So gut kenne ich ihn wirklich nicht«, gab ich zu, während ich an den offenen Safe und das verschwundene Archiv dachte. War es möglich, dass die Polizei recht hatte und der Hoff die Unterlagen selbst irgendwo versteckt hatte?
    Â»Es ist gut, dass Sie ihn besuchen«, meinte der Arzt. »Er wird jede Unterstützung brauchen, die er bekommen kann. Hat er Familie?«
    Wieder musste ich zugeben, dass ich es nicht wusste. »Wie ernst steht es um ihn? Wird er wieder gesund werden?«
    Endlich sah mich der Arzt an. »Der Schlaganfall hat sein Sprachzentrum beeinflusst. Es gibt Probleme mit der Mobilität, vor allem auf der rechten Seite, und wir wissen noch nicht, ob seine Sprachprobleme darauf oder auf ein kognitives Defizit zurückzuführen sind. Es gibt Anzeichen für Aphasie, gestörte Wahrnehmung… es ist einfach noch zu früh, um etwas sagen zu können.«
    Â»Sie meinen, Sie wissen nicht, ob er nicht reden oder nicht denken kann.«
    Â»Wir beobachten das Ganze. Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist schwierig, aber manche Patienten bringen Erstaunliches fertig. Abgesehen davon sollten Sie jedoch mit allem rechnen. Er wird vielleicht nie mehr der Mann sein, der er vorher war. Sie sagten, er sei Lehrer?«
    Â»Professor«, korrigierte ich ihn. Dann fiel mir auf, dass der Hoff die Augen offen hatte und mich ansah. »Er ist ein hoch angesehener Professor. Brillant. Weltbekannt.«
    Der Arzt zupfte an seinem albernen Ohrstecker. »Nun ja. Es ist schön, wenn man ein Vermächtnis hinterlassen kann, nicht wahr?«
    Â»Er ist nicht tot«, fuhr ich ihn an.
    Â»Nein, natürlich nicht.« Aber wir wussten beide, was er meinte. Die brillante, weltbekannte Phase war vorbei. So war das wohl, dachte ich, während der Arzt das Klemmbrett

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