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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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gekauft hatte, weil ich das letzte Mal, als sie mich gefragt hatte, für Delfine geschwärmt hatte. (Da war ich elf gewesen.) Die Möbel aus glänzendem Holzimitat hatten meine Eltern vor einem Jahrzehnt selbst gebaut, was bedeutete, dass das Bett wackelte, die Schubladen der Kommode nicht ganz schlossen und beide an den Stellen, an denen der Hammer meiner Mutter – oder ihre Frustration – das Ziel verfehlt hatte, angeschlagen und verschrammt waren. Der Hohlraum unter dem Schreibtisch, wo Chris seinen Rucksack abgestellt hatte, hatte genau die richtige Größe für eine Zwölfjährige, die sich zusammenkauern und verstecken wollte. Jetzt war ich zu groß dafür.
    Ich schämte mich nicht für das kleine, kahle Zimmer oder den Rest des Hauses, das problemlos in den Ostflügel des Moore’schen Anwesens gepasst hätte. Es war nur so, dass ich den Zusammenstoß zweier Welten vermeiden wollte. Hier war alles mit Erinnerungen an Andy vollgesogen, mit Schuldgefühlen, Tod und Trauer, mit Leere, die niemand füllen wollte. Und vielleicht war das ein weiterer Grund dafür, warum ich ausgerechnet Chris angerufen hatte, denn mit Chris war der Zusammenstoß bereits passiert. Die Gefahr war vorbei.
    Â»Willst du darüber reden?«, fragte er.
    Â»Eigentlich nicht.«
    Eine Pause, keine verlegene, aber viel hätte nicht gefehlt. Plötzlich wurde mir klar, dass es schon lange her war, seit Chris und ich miteinander allein gewesen waren. Der Abstand zwischen uns war größer als früher und ein Teil von mir wusste, dass das an Max lag und dass es zwar richtig war, aber trotzdem tat es mir leid.
    Chris brach die Stille. »Großartig. Reden wird sowieso völlig überbewertet. Ich schlage Computerspiele vor. Oder Poker. Lustige Katzenvideos?« Er brach ab, als er sah, dass ich nicht lächelte. »Wir könnten auch einfach nur hier sitzen und uns total intensiv anstarren, bis es einem von uns gelingt, das Gehirn des anderen zum Schmelzen zu bringen.« Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
    Â»Ich habe dich nicht gebeten, mich aufzumuntern.«
    Vor lauter gespielter Konzentration zogen sich seine Augenbrauen zusammen.
    Â»Ich wollte nur nicht allein sein.«
    Er hielt die Luft an und blies wie ein Kugelfisch die Wangen auf, während er mich unverwandt anstarrte.
    Â»Das funktioniert nicht.«
    Seine Nase begann zu zucken, zuerst nur leicht, dann immer heftiger, wie bei einem Kaninchen auf Crack, bis er schließlich den Kopf zurückwarf und laut nieste.
    Ich konnte nicht anders: Ich lachte. Und falls es tatsächlich so etwas wie Distanz zwischen uns gegeben hatte, war sie jetzt weg.
    Â»Gib’s zu«, sagte er. »Du kannst mir einfach nicht widerstehen.«
    Ich verdrehte die Augen. »Wenn ich es zugebe, hörst du dann auf, deinen Rotz auf meinem Schreibtisch zu verteilen? Dafür gibt’s Taschentücher.«
    Â»Ah, der Putzteufel gewinnt die Oberhand. Das bedeutet, dass es ihr besser geht.«
    Â»Mit wem redest du da, du Irrer? Der versteckten Kamera?«
    Â»Man muss dem Publikum geben, was es verlangt«, meinte er. »Mein Motto. Das macht mich so liebenswert.«
    Â»Liebenswert? Wohl eher…«
    Â»Ah, ah, ah.« Er hob die Hand und bedeutete mir zu schweigen. »Denk nach, bevor du etwas sagst. Worte können verletzen.«
    Â»Weil du so ein Sensibelchen bist?«
    Â»Du kennst mich doch. Ich bin wie ein kleines Mädchen.«
    Â»Das ist eine Beleidigung für alle kleinen Mädchen dieser Welt.«
    Â»Schon wieder ein Kompliment! Jetzt weiß ich, dass es dir besser geht. Gib’s zu.«
    Â»Vielleicht«, gestand ich widerwillig ein.
    Â»Und was sagen wir, wenn unser brillanter, anbetungswürdiger Freund dafür sorgt, dass die Mundwinkel wieder nach oben gehen?«
    Ich seufzte. »Wir sagen Danke. Loser.« Aber er wusste, wie ich es meinte.
    Â»Jederzeit gerne.« Und ich wusste, wie er es meinte.
    Chris blieb den ganzen Nachmittag, doch wir redeten nicht über den Hoff, den Vielleicht/Vielleicht-auch-nicht-Einbruch in der Kirche oder sonst etwas, was wirklich wichtig war. Er unterhielt mich mit den Abenteuern, die wir alle zusammen auf unserer Reise nach Paris erleben würden, und wie immer ließ ich ihn in dem Glauben, dass ich eine Möglichkeit finden würde, mitzukommen und genau wie alle anderen französische Köstlichkeiten zu mampfen und in

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