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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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aussahen.
    Â»Wir verschwenden unsere Zeit.« Eli klappte die Mappe zu. »Das ist doch sinnlos.«
    Der Archivar bedeutete ihm, still zu sein. Seinem Blick nach zu urteilen, ging er wohl davon aus, dass wir sein wertvolles Dokument mit ketchupverschmierten Fingern angefasst oder sogar mit einer Schere malträtiert hatten.
    Adriane räusperte sich. »Ich sag’s ja nicht gern, aber ich glaube, der Stalker hat recht.«
    Â»Also gut.« Aber mir kam es nicht sinnlos vor. Vielleicht, weil ich wusste, dass Max in der Nähe war, dass ich ihn in ein paar Stunden wiederhaben würde. Ich war sicher, dass wir am richtigen Ort waren, dass wir den Brotkrumen folgen mussten, wo immer sie uns hinführten. Hatten sie mich denn nicht zu Max geführt?
    Auf dem Weg zurück in den Lesesaal schreckte uns eine Stimme auf, ein lautes Zischen von dem alten Mann, der Zeitung las. Er wies mit seinem gekrümmten Finger auf mich, während er die buschigen grauen Augenbrauen zusammenzog.
    Â»SlyÅ¡el jsem vás«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nemluv í m č esky.« Auch diesen Satz hatte ich auswendig gelernt. Bei jeder von meinem Akzent ermordeten Silbe wand ich mich. Ich spreche kein Tschechisch. (Was man wohl auch hören konnte.)
    Aus der Kehle des Alten drang ein ersticktes Gurgeln. Mit der Geste eines Zauberers zog er ein schmuddeliges Taschentuch aus der Tasche und rotzte einen zähen gelben Klumpen hinein. Dann faltete er es ordentlich zusammen und steckte es wieder ein. »Ich sagte, ich habe gehört. Ihr sucht nach Hleda č i . Suche nach Suchenden. Ja?«
    Â»Ja«, antwortete ich.
    Seine Hand war eine Landkarte aus Leberflecken, doch sein Händedruck war erstaunlich fest. »Iwan Glockner«, stellte er sich vor. »Ihr nach mir suchen.«
    Â»Arbeiten Sie hier?«, fragte Eli, der ziemlich skeptisch wirkte.
    Â»Ich bin hier«, erwiderte der Mann, der vielleicht Iwan war oder – Adrianes Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie eher diese Möglichkeit für wahrscheinlich hielt – ein einsamer, angetrunkener alter Mann mit erstaunlich guten Ohren und der Tendenz, sich ungefragt einzumischen. »Das genügt.«
    Â»Kennen Sie Professor Anton Hoffpauer?«, fragte ich.
    Â»Ich kennen viele Leute.«
    Â»Wir kommen zu spät zu unserem, ähm, Termin«, sagte Adriane, während ihr Blick mir riet, diesem Spinner so schnell wie möglich zu entkommen. »Wir sollten jetzt gehen.«
    Der Mann hustete noch einen Schleimklumpen aus und schlug dann mit der Hand auf die Tischkante. Bis jetzt schien Prag aus sehr jungen und sehr alten Menschen zu bestehen. Ich fragte mich, was mit denen dazwischen passiert war. »Nehmt Hilfe oder lasst mich in Ruhe. Eure Entscheidung.«
    Â»Wir wollen Hilfe«, sagte ich schnell. »Wenn Sie uns die geben können.«
    Auf seinen Fingerknöcheln wuchsen Haare, die erheblich dunkler waren als der zarte graue Flaum, der sich über seinen Ohren und in seiner Nase kringelte. Mit zitternder Hand schrieb er etwas auf die Zeitung: Kostel sv Boethia, Betlémské nám ě st í . »Sucht Pater Hájek. Priester. Er euch sagen, was ihr wollt.«
    Â»Danke«, sagte ich, als ich die Ecke der Zeitung abriss. Der Name der Kirche war auf das Schwarz-Weiß-Foto eines jungen Mädchens geschrieben, dessen ausdruckslose Augen direkt in die Kamera starrten, wie ein Kind aus einer dieser Vermisstenanzeigen auf Milchtüten. »D ě kuji.«
    Â»Das nicht richtig«, sagte der Mann. »Du mir nicht wirst danken.« Er wandte sich wieder seiner Zeitung zu, als wären wir gar nicht da. Seine runzligen Finger fuhren über die Zeilen, doch sein Blick folgte ihnen nicht, sondern blieb an dem hängen, was von dem zerrissenen Foto übrig war, der Hand des kleinen Mädchens, die ein schlaffes Plüschkaninchen festhielt.
    Â»Vermutlich nur ein einsamer alter Mann«, sagte Eli, als wir die Bibliothek verließen. »Die Stadt ist voll von ihnen. Er wollte mit jemandem reden, hat so getan, als wüsste er etwas.«
    Â»Oder er weiß tatsächlich etwas«, widersprach ich.
    Die Kostel sv Boethia, Kirche des heiligen Boethius, war nicht in meinem Reiseführer aufgeführt, Betlémské nám ě st í , Bethlehemsplatz, dagegen schon. Und der war ganz in der Nähe.
    11 Die Hauptschlagader der Staré M ě sto, eine diagonal verlaufende Straße quer durch

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