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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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nicht mehr wichtig, wer Chris besser gekannt hatte oder wer wem etwas schuldig war. Es war nicht wichtig, weil Chris tot war. »Aber ich glaube, ich hab was in der Lobby vergessen.«
    Wichtig war, den zahnlosen Mann an der Rezeption zu fragen, ob jemand eine Nachricht für eine Nora Kane hinterlassen hatte, und die kurze Nachricht zu entschlüsseln, die ich von dem Alten bekam, geschrieben in dem Code, den ich jetzt verstand und der mir sagte, wo ich um Mitternacht hingehen sollte. Wichtig war, dass Max dort sein würde.
    9 »Was ist denn?«, fragte ich Eli, der im Eingang zur Pension stehen geblieben war. Wir hatten beschlossen, mit unserer Suche (nach Informationen und – wie Eli und Adriane dachten – nach Max) an dem Ort zu beginnen, der für jeden pflichtbewussten Schüler des Hoff am logischsten schien: in der Zentralbibliothek. Dort hatte der Hoff der Notiz zufolge, die ich in seinem Büro gefunden hatte, einen Mann namens Iwan Glockner getroffen und vielleicht hatte er dort auch zum ersten Mal von den Hleda č i gehört.
    Auf dem Stadtplan sah es so aus, als wäre es bis zur Bibliothek nur ein kurzer Spaziergang den Hügel hinunter und über den Fluss ins Zentrum der Staré M ě sto, der Altstadt. Die Pension lag auf einem steilen Hügel am linken Ufer der Moldau in der Malá Strana, der Kleinseite, einem Labyrinth aus engen Straßen und Gassen. In den Schaufenstern der kleinen Geschäfte hingen Kreuze, Pokale oder Marionetten und auf den Bürgersteigen gingen Mönche in braunen Kutten neben Nonnen mit Schleiern her, die vom Läuten der Glocken in eine der vielen Kirchen gerufen wurden. Über allem erhoben sich die Doppeltürme des Veitsdoms, des Herzstücks der Prager Burg, der ehemaligen Wohnstätte des Heiligen Römischen Kaisers, Gesandter Gottes auf Erden.
    Als mir durch den Kopf schoss, dass Elizabeth Weston durch diese Straßen gegangen war, fuhr meine Hand unwillkürlich zu meinem Bauch, wo unter meinem T-Shirt, in dem Beutel, in dem auch mein Pass war, der Brief steckte, für den Chris – vielleicht um ihn zu schützen – gestorben war.
    Eli rührte sich nicht vom Fleck. Er holte tief Luft.
    Â»Was?«, wiederholte ich.
    Â»Wisst ihr, woher der Name Prag stammt?«, fragte er.
    Â»Nein. Und du brauchst uns das jetzt auch nicht…«
    Â»Das weiß niemand. Einige Leute glauben, dass er von prahy kommt, was Wirbel im Wasser bedeutet. Oder von na praze , was im Grunde genommen ein kahler, leerer Platz ohne Schatten ist. Aber wisst ihr, welche Erklärung mir am besten gefällt? Pražiti . Das bedeutet die Reinigung des Waldes durch Feuer . Klingt das nicht passend? Reinigung, als würde das Feuer allen einen Gefallen tun. Obwohl einem danach nichts bleibt als ein kahler Platz ohne Schatten.«
    Ich fragte mich, ob Jetlag zu Halluzinationen führen konnte.
    Â»Ich habe mir geschworen, das nicht zu tun«, sagte er.
    Â»Was? Uns aufhalten?«, fragte Adriane. »Das hat schon mal nicht geklappt.«
    Er ignorierte sie und wollte auch mich nicht ansehen. »Meine Eltern haben ihr ganzes Leben damit verbracht, mich darauf vorzubereiten. Auf diesen Ort.«
    Â»Seine Eltern kommen aus Tschechien«, informierte ich Adriane. »Sie sind besessen von ihrer alten Heimat.«
    Â»Oh ja, das Leben unter den Kommunisten war ja angeblich ganz toll«, meinte sie. »Ich weiß gar nicht, warum so viele das Land verlassen haben.«
    Â»Damals waren sie noch Kinder«, erklärte Eli. »Kindern ist ein totalitäres System egal. Für meine Eltern ist Prag gleichbedeutend mit dem Pet ř í n -Hügel und selbst gemachten knedl í ky . Es ist ihre Heimat. Die Panzer in den Hinterhöfen und das Blut auf den Straßen haben sie verdrängt.«
    Adriane hatte noch gar nichts gesagt, aber ich wusste, dass sie nicht weiter Interesse heucheln konnte. Mehr als einmal hatte ich gehört, wie Ms Kato mit wehmütiger Stimme über die verlorenen Wunder in der Heimat ihrer Eltern geredet hatte, einem Land, in dem sie noch nie länger als zwei Wochen am Stück verbracht hatte, und wenn, dann grundsätzlich in einem Ritz-Carlton oder einer Luxuslimousine mit getönten Scheiben und einem einheimischen Fahrer. Adriane hatte für nichts viel Geduld, doch was das Thema Einwanderung anging, hatte sie ihre Toleranzgrenze in dem Jahr überschritten, in dem sie sich an Halloween als

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