Das Buch aus Blut und Schatten
auf einem der Türme an der Karlsbrücke auf Eisenstangen gesteckt wurden, wo sie zehn Jahre lang aus leeren Augenhöhlen auf die Stadt herabsahen.
Vielleicht war das der Grund, warum ich das Gefühl nicht loswurde, dass uns jemand beobachtete. Vielleicht war es gar kein geheimnisvoller Killer mit einem Messer und einem Auftrag, sondern einfach der prüfende Blick, mit dem mich die in Stein gemeiÃelten Heiligen und die Geister hingerichteter Ketzer musterten.
Ich glaubte nicht an Geister.
Wir wagten uns in eine schmale Gasse, die völlig leer und bis auf den entfernten Lärm der Touristenscharen auch sehr ruhig war. Von Zeit zu Zeit warf ich einen Blick über die Schulter, weil ich immer noch davon überzeugt war, dass uns jemand folgte â wenn eine dunkle Gestalt uns angreifen wollte, gab es dafür kaum einen besseren Ort als dieses von tiefen Schatten durchzogene, abgelegene SträÃchen. Doch nichts passierte und wieder einmal sagte ich mir, dass das, was sich wie eilige Schritte anhörte, nur Zweige waren, die gegen eine Hauswand schlugen, oder streunende Katzen, die sich um Essensreste balgten. Und die Bewegung, die ich aus dem Augenwinkel heraus zu sehen glaubte, war nur ein Schatten, das Kribbeln in meinem Nacken nur Angst.
Der Bethlehemsplatz war bloà noch ein paar StraÃenecken entfernt. Die Kirche, die an seiner nordwestlichen Ecke stand, hatte keine Märchenschlosstürme und es standen auch keine Touristen davor, die Fotos machten. Sie war nur eines der vielen vor sich hin bröckelnden Gebäude im Renaissancestil, mit einem verwitterten Kunststoffschild davor, auf dem die Zeiten der Gottesdienste angegeben waren. Im Innern war es wie in einer Höhle, dunkel, kühl und feucht. Steinwände, Buntglasfenster, flackernde Kerzen, zwei Bettler, die vor einer Bank lagen, und vor einem der Beichtstühle ein alter Priester in langem schwarzem Gewand und steifem weiÃem Kragen. Beides hatte ich bis jetzt nur in Kinofilmen und manchmal Nachrichtensendungen gesehen.
Er kam zu uns â oder besser gesagt zu Eli â und fing an, in rasend schnellem Tschechisch auf ihn einzureden, bevor wir auch nur ein Wort sagen konnten. Eli unterbrach ihn und für ein paar Momente redeten beide gleichzeitig, der Priester, dessen von tiefen Kratern durchzogenes Gesicht mit einem wütenden Rot überzogen war, wild mit den schlaffen Armen gestikulierend, während Eli langsam und bestimmt sprach, gelegentlich über ein Wort stolperte, sich aber weigerte, nachzugeben, bis der Priester schlieÃlich die Arme vor der Brust verschränkte, nickte und endlich Ruhe gab.
»Was hat er gesagt?«, fragte ich. »Was hast du zu ihm gesagt?«
»Alles in Ordnung.« Der Ton in Elis Stimme lieà auf etwas anderes schlieÃen. »Die Kirche ist nicht für Touristen geöffnet und er sagt, ihr beide seid für diesen heiligen Ort nicht entsprechend angezogen.«
»Ja, klar«, meinte Adriane, während ihr Blick zu den beiden Obdachlosen ging.
Das erklärte allerdings nicht, warum sie so lange miteinander gesprochen hatten oder warum der Priester so wütend gewesen war. »Hast du ihm gesagt, dass wir ihn nur etwas fragen wollen? Ist er das überhaupt?« Ich wandte mich an den Priester. »Sind Sie Pater Hájek?«
»Er ist es«, warf Eli ein. »Aber er will uns nicht helfen. Er sagt, er weià nichts.«
»Hast du ihm überhaupt erklärt, wonach wir suchen?«, fragte ich. Eli log, das war nicht zu überzusehen. Es war erbärmlich, einfach nur dastehen und es akzeptieren zu müssen, als wären wir blind und er würde uns führen, als würde er uns versichern, der Weg sei sicher, obwohl er direkt in eine Sackgasse führte. Oder auf eine Klippe zu.
»Frag ihn nach den Hleda Ä i «, beharrte ich. »Frag ihn nach dem Lumen Dei.«
»Ich hab dir doch gesagt, dass er nicht mit uns reden will«, erwiderte Eli. »Können wir jetzt gehen?«
»Ja, sicher. SchlieÃlich glauben wir dir aufs Wort«, mischte sich Adriane ein.
Ich schlug meinen Reiseführer auf und suchte die Seite, auf der ein paar einfache Sätze in Tschechisch standen, fest entschlossen, eine Möglichkeit zu finden, um dem Priester selbst einige Fragen zu stellen, wenn nötig, indem ich Bilder dazu zeichnete.
Aber das brauchte ich gar nicht.
»Lumen Dei . Hleda Ä i . Ja. Du musst hören.« Die Stimme des
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