Das Buch Der 1000 Wunder
hierbei der Zusammenhang der Teile jenes Streifens gelöst worden sei oder nicht.
Am 9. Mai d. J., 7 Uhr abends, befand ich mich allein mit Slade in unserem gewöhnlichen Sitzungszimmer. Der Himmel hatte sich im Lauf des Nachmittags unter dem Einfluß eines frischen Winds zu einer seltenen Klarheit aufgehellt, sodaß das nach Westen gelegene Zimmer von den Strahlen der untergehenden Sonne hell erleuchtet war. Die beiden Holzringe nebst dem oben erwähnten, aus einem Stück geschnittenen Band eines Darms, waren an einer zirka 1 Millimeter dicken und 1,05 Meter langen Darmsaite aufgereiht; letztere war mit ihren beiden Enden von mir durch einen Doppelknoten zusammengeknüpft und alsdann in der früheren bei den Bindfäden angegebenen Weise mit meinem Petschaft eigenhändig versiegelt worden. Die beistehende Figur stellt diesen Zustand bei Beginn der Sitzung schematisch dar. (Siehe die Abbildung links.)
Nachdem ich in der gewöhnlichen Weise mit Herrn Slade an dem Tisch Platz genommen hatte, legte ich beide Hände fest auf den oberen Teil der versiegelten Darmsaite. Nachdem einige Minuten verstrichen waren, und Slade wie gewöhnlich während physikalischer Manifestationen Lichter zu sehen behauptete, 179 verbreitete sich ein schwacher Brandgeruch im Zimmer, der unter dem Tisch hervorzudringen schien und etwas an den Geruch von schwefliger Säure erinnerte. Kurz darauf hörte man an dem kleinen runden Tisch mir gegenüber vorübergehend ein Klappern, wie von zwei aneinanderstoßenden Hölzern.
Als ich fragte, ob wir die Sitzung schließen sollten und das Werk vollendet sei, wiederholte sich das Klappern dreimal hintereinander. Unmittelbar hierauf erhoben wir uns, um zunächst die Ursache des Klapperns an dem runden Tisch zu erforschen. Zu unserem größten Erstaunen befanden sich die beiden Holzringe, welche ungefähr 6 Minuten vorher noch an der Darmsaite aufgereiht waren, unversehrt um den Fuß des kleinen Tischs. (Siehe die Abbildung unten.) Die Darmsaite enthielt zwei Schlingen, welche den unversehrten endlosen Darmstreifen in der beifolgend schematisch dargestellten Weise umschlossen. (Siehe die Abbildung oben rechts.)
Unmittelbar nach vollendeter Sitzung rief ich erstaunt und hocherfreut über einen solchen Reichtum von bleibend erzeugten Wirkungen meinen Freund nebst seiner Frau in das Sitzungszimmer. Slade verfiel hierauf in einen seiner gewöhnlichen Verzückungszustände (
trance
) und teilte uns mit, daß die ihn umgebenden unsichtbaren Wesen bemüht waren, meinem Wunsch gemäß einige Knoten in dem endlosen Darmstreifen zu erzeugen, daß sie jedoch genötigt gewesen seien, ihr Vorhaben aufzugeben, da jener Streifen im Begriff war, während der Operation durch Temperaturerhöhung zu »schmelzen«. Wir würden dies deutlich an einer weißen Stelle des Streifens erkennen. Da ich den Streifen unmittelbar nach beendeter Sitzung in meine Hände genommen und bis 180 zu dieser Mitteilung Slades auch darin behalten hatte, so interessierte mich in hohem Grad die Prüfung der Richtigkeit der soeben erwähnten Behauptung. In der Tat befand sich diese weiße Stelle an dem angegebenen Ort, und als wir zur Bestätigung der angedeuteten Ursache ein anderes Stückchen von einem solchen Darmstreifen über ein Kerzenlicht hielten, erzeugte sich sofort durch die hohe Temperatur eine ganz ähnlich aussehende weiße Stelle.”
Obwohl Zöllner diesen letzten Ergebnissen seine uneingeschränkte Bewunderung zollt, wird der objektive Leser doch sofort bemerken, daß bei den Versuchen die ursprünglichen Absichten nicht erfüllt wurden. Weder waren die beiden ungeleimten Ringe ineinandergekettet, noch befand sich in der endlosen Darmschnur selbst ein Knoten. Nur wenn dies wirklich eingetreten wäre, hätte sich etwas für unser Begreifen ganz Unenträtselbares zugetragen. Was aber wirklich geschah, ist im Vergleich dazu sehr viel einfacher, wenn auch in der von Zöllner beschriebenen Art unerklärbar.
Aber Zöllners Darstellungen können durchaus nicht als das Muster eines wissenschaftlichen Berichts gelten. In den »Wissenschaftlichen Abhandlungen« nehmen die tatsächlichen Angaben immer nur einen kargen Raum ein. Sie sind umgeben von einem Wust der gröbsten Beschimpfungen und heftigsten Angriffe gegen alle Gelehrten, die den Anschauungen des Verfassers nicht beistimmten. Wichtige Nebenumstände der Begebnisse werden dagegen verschwiegen. So hat z. B. Zöllner erst später ganz beiläufig angegeben, daß die Versuche mit
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