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Das Buch Der 1000 Wunder

Titel: Das Buch Der 1000 Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Fuerst , Alexander Moszkowski
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verstehen, wenn man den Sitz des Ausbreitungsbestrebens – der Diffusion – als ein Kraftfeld auffaßt, das sich 251 ganz wie ein magnetisches oder elektrisches Kraftfeld verhält. Überall dort, wo in einer Flüssigkeit stärkere Konzentration herrscht als in der Umgebung, kann nun das Ausbreitungsbestreben in Erscheinung treten, und das gleiche gilt von Punkten geringerer Konzentration. Ein Punkt, an dem die Konzentration stärker ist, zieht einen solchen von geringerer Konzentration als die Umgebung ganz ebenso an, wie entgegengesetzte elektrische oder Magnetpole einander anziehen, und durch die Wechselwirkungen derartiger Punkte (Diffusionspole, wie Leduc sie nennt) lassen sich mancherlei Lebensvorgänge erklären. Sie erzeugen z. B. in der Flüssigkeit Strömungen, die schwebende Teilchen mit sich fortziehen, und hierdurch erklärt sich die Erscheinung der Zellteilung, die Leduc in allen Einzelheiten nachahmt.
    Eine wie bedeutende Rolle aber die erwähnten physikalischen Vorgänge im organischen Leben spielen, erkennt man auch aus der Betrachtung gewisser allbekannter Erscheinungen.
    Eine abgeschnittene Pflanze vertrocknet und verwelkt bekanntlich. Wenn man sie jedoch ins Wasser stellt, schwillt der Zellinhalt infolge des Ausbreitungsbestrebens (der Diffusion) wieder an und füllt die Zellen aus, sodaß sich diese ausdehnen und die Pflanze sich wieder aufrichtet. Ferner sind die Zellen des Organismus allen Unterschieden des Innendrucks gegenüber sehr empfindlich, und aus diese Weise ist die anscheinend paradoxe Tatsache zu erklären, daß chemisch reines Wasser giftig ist. Unser Trinkwasser ist ja niemals rein; es enthält stets allerhand Salze und Gase in Lösung und besitzt daher beträchtlichen Innendruck. Reines Wasser, wie z. B. das des sogenannten »Giftbrunnens« in Gastein, besitzt hingegen so geringen Innendruck, daß es die Zellen des Verdauungskanals zum Anschwellen bringt, sie zerstört und damit ausgeprägte Giftwirkungen hervorruft. Wenn man ferner Wasser zum Kochen von Kartoffeln, Bohnen, Linsen, Kastanien usw. vorher etwas salzt, so vertrocknen diese Gemüse; sie schrumpfen infolge des starken Innendrucks des Kochwassers ein und werden hart und schwer verdaulich. Wenn man sie hingegen in ungesalzenem Wasser kocht und erst nach dem Kochen salzt, so nehmen sie Wasser auf, schwellen an, die Haut springt auf, und auch die mehlhaltigen Körner schwellen an und springen. Durch Kochen in Salzwasser nimmt daher das Gewicht von Kartoffeln, Kastanien usw. ab und durch Kochen in ungesalznem Wasser zu.
    Leduc will auf seinen Versuchen eine neue Wissenschaft aufbauen, die »synthetische« Biologie. Sowie alle Naturwissenschaften mit der Beobachtung und Klasseneinteilung der Körper und Erscheinungen beginnen – d. h. zunächst rein beschreibend sind – und sie hieraus zerlegen oder analysieren, um ihren Hergang zu ergründen und schließlich die Erscheinungen künstlich hervorzurufen (womit die 252 Wissenschaft in das dritte, synthetische oder aufbauende Stadium tritt), ist nämlich nach Leducs Meinung auch für die Biologie, die Lehre vom Lebenden, der Augenblick gekommen, die künstliche Herstellung von Organismen anzustreben. Und wenn sie auf diesem Weg auch noch so langsam vom Einfachsten zum Zusammengesetzten fortschreiten müßte, sieht der französische Forscher doch keinen Grund ein, warum ihr Endziel nicht schließlich erreicht werden sollte.”

185. Der Trompeter auf dem Blitzzug
    Man könnte im Speisewagen eines fahrenden D-Zugs ein Konzert veranstalten. Die Tafelmusik würde sich dann nach Tonhöhe und Klangfarbe durchaus nicht von einem Vortrag auf dem festen Erdboden oder im Saal eines Hauses unterscheiden. Höchstens würde das ratternde Geräusch der Räder auf den Schienen die Deutlichkeit der Musik ein wenig beeinträchtigen.
    Anders gestaltet sich indes die Sache, wenn man die Bedingungen des Konzertvortrags abändert. Nehmen wir einen Solisten, zum Beispiel einen Trompeter, und setzen wir diesen anstatt in das Innere des Wagens oben auf das Verdeck. Zugleich stellen wir uns vor, daß der Zug sein Tempo beschleunigt und mit Hilfe einer Lokomotive von unerhörter Leistung eine Geschwindigkeit von 350 Metern in der Sekunde erreicht. Und nun beginnt der Trompeter der Fahrtrichtung entgegen zu blasen.
    Erster Effekt: die Mitfahrenden und der Musikant selbst hören garnichts. Bliese er auch so stark wie sein Kollege von Jericho, so erreichte doch kein einziger Ton das Ohr der Hörer.

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