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Das Buch Der 1000 Wunder

Titel: Das Buch Der 1000 Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Fuerst , Alexander Moszkowski
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Beobachter ihnen wirkliches Leben zusprechen könnte.
    Derartige Versuche kann bei einiger Vorsicht jeder Laie anstellen und so einem künstlichen Samenkorn Keime entlocken, die sich mehr oder weniger schnell zu Sprossen und Stengeln entwickeln und Blätter, knospenartige Gebilde, Ranken und Blüten tragen, um nach einiger Zeit gleich einer lebenden Pflanze abzusterben und in ein unscheinbares, formloses Gewebe zu zerfallen. Das ganze Werden und Vergehen einer Pflanze laßt sich auf diese Weise im Lauf weniger Stunden vorführen, und ebenso kann man die Formen niederer Tiere, wie Muscheln, Seeigel und Polypen, künstlich nachmachen.
    Man nimmt z. B. ein Korn von 1 bis 2 Millimetern Durchmesser, das zu zwei Teilen aus Saccharose (Zucker) und zu einem Teil aus schwefelsaurem Kupfer besteht, und legt dieses in eine wässerige Lösung von 2 bis 4 Prozent gelbem Blutlaugensalz, 1 bis 10 Prozent Kochsalz und 1 bis 4 Prozent Gelatine. Die Entwicklung der künstlichen Pflanze erfolgt dann je nach der Temperatur mit verschiedener Geschwindigkeit; sie nimmt entweder mehrere Tage oder nur einige Stunden in Anspruch, ja man kann den Keimvorgang schon in wenigen Minuten vor einer größeren Zuhörerschar demonstrieren.
    Das künstliche Samenkorn umgibt sich mit einem Häutchen aus einer Kupferverbindung, das für Wasser und gewisse Elemente durchlässig, für Zucker jedoch undurchlässig ist. Durch diese teilweise Undurchlässigkeit entsteht im Innern des Samenkorns ein hoher Druck, der zur Aufnahme von Substanz aus der Umgebung und damit zum Wachstum des ganzen Gebildes führt.
    Wenn man die Flüssigkeit auf eine Glasplatte ausgießt, erfolgt das Wachstum nur in einer Ebene; bringt man sie hingegen in einen tiefen Behälter, so 250 wächst das Gebilde gleichzeitig wagerecht und senkrecht. Es bilden sich dann wirkliche Stengel, die sich, an die Oberfläche der Flüssigkeit gelangt, dort wie Wasserpflanzen zu flachen Blättern ausbreiten. Diese künstlichen Gebilde tragen je nach der Zusammensetzung der Kulturflüssigkeit kugel-, pilz-, ähren- oder rankenförmige Ansätze und besitzen also wirklich organische, äußere Gestaltung. Da die Nährsubstanz in ihren Stengeln bis zu sehr beträchtlicher Höhe ansteigt, müssen sie aber auch mit einem Kanal für den Säfteumlauf ausgestattet sein; kurz, es handelt sich offenbar um wirkliches Wachstum wie bei Pflanzen.
    Ebenso wie Pflanzen sind die künstlichen Gebilde aber auch für mancherlei chemische und physikalische Reize empfänglich, und ihre Entwicklung wird durch Giftstoffe gehemmt. Gleich wirklichen Lebewesen besitzen künstliche Pflanzen ferner auch die Fähigkeit, eine ihnen zugefügte Verwundung wieder auszuheilen; denn wenn ein Stiel vor Abschluß seines Wachstums zerbrochen wird, setzen sich die Bruchstücke aneinander, heften sich zusammen, und das Wachstum beginnt von neuem.
    Die Leducschen Versuche sind aus den schon vierzig Jahre zurückliegenden Experimenten des deutschen Physiologen M.  Traube aufgebaut, die leider noch nicht die ihnen gebührende Beachtung gefunden haben. Traube ließ sich bei seinen Forschungen von der Erwägung leiten, daß das Protoplasma, der schleimige Inhalt der organischen Zelle, ihr wesentlicher Bestandteil sei, aus dem alle übrigen, besonders die Zellwände, durch Erhärtung gewisser Schichten entstehen. Nun hatte schon Graham gezeigt, daß gewisse Stoffe, wie Eiweiß, Zucker, Leim, Gummi, Gerbsäure usw. durch Häutchen, wie die Wände einer Zelle, nicht hindurchdringen. Traube tauchte daher ein Glasröhrchen mit Leimlösung in eine Lösung von Gerbsäure; dann überzog sich dessen Öffnung mit einem Häutchen aus gerbsaurem Leim. Durch Einbringen von Tropfen der einen Lösung in eine größere Menge der andern konnte er sogar geschlossene Bläschen herstellen, die sich dem Ansehen und Wachstum nach ganz wie natürliche Zellen verhielten.
    Leduc hat nun bei seinen überaus zahlreichen Versuchen nicht nur künstliche Zellen, sondern ganze Zellgewebe und Gebilde von außerordentlichem Formenreichtum erhalten, die sich aber stets eng an die natürlichen Formen von Pflanzen und niedrigen Tieren anlehnen. Leduc führt hiermit den Beweis, daß alle niederen Lebensäußerungen, d. h. Entstehung, Entwicklung und Ernährung der Zelle, durch physikalisch-chemische Kräfte, und zwar vor allem durch das innere Ausbreitungsbestreben (Diffusion) und die innere Anziehung (Kohäsion) beherrscht werden.
    Am besten lassen sich diese Erscheinungen

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