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Das Buch Der 1000 Wunder

Titel: Das Buch Der 1000 Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Fuerst , Alexander Moszkowski
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Übergang doch zu ermöglichen. Die Übertragung des Bandwurms von Mensch zu Mensch ist ein wahrer Roman, so toll und so unwahrscheinlich wie möglich und begreiflich eben nur, weil er wahr ist.
    Der Bandwurm ist ein vollkommener Schmarotzer. Er besitzt zwar einen Kopf mit Saugnäpfen zum Festhalten an den Darmwänden, aber weder Mund, noch Magen, noch Darm. Und diese Organe hat er auch nicht nötig, da ihm ja von allen Seiten fertig verdaute Nahrung zugeführt wird, die er mit seiner ganzen Körperoberfläche aufnimmt. So wohl genährt, hat er auch den Wunsch sich fortzupflanzen. Nach der uns normal erscheinenden Methode geht das nun nicht, denn er ist ja allein. Darum schlägt er einen anderen Weg ein, der an sich im niederen Tierreich nicht selten ist. Er läßt an seinem Körperende ein Junges hervorsprießen. Und bald auch ein zweites, ein drittes, bis eine Kette von mehreren Hundert solcher Jungen an ihm hängt.
    Diese Bandwurmjungen aber besitzen Geschlechtsorgane. Sie sind sogar Zwitter, d. h. Männchen und Weibchen zugleich. Und wie sie so dicht aneinander gedrängt sitzen, ist es ein leichtes, daß sie sich gegenseitig befruchten. Im Körper jedes einzelnen der Jungen umziehen sich dann die befruchteten Eier mit einer festen Schale und lassen in ihrem Innern langsam Embryos entstehen. Diese sind also schon Enkel des ursprünglichen Bandwurms.
    Die Zahl der Eier ist ganz erstaunlich groß. Bringt es doch manch ein Bandwurm auf tausend Junge, und jedes von diesen birgt an 50 000 Eier. Dieser Überfluß ist aber notwendig, denn nur wenige Embryos gelangen bei der nun folgenden Reise an einen für ihre Weiterentwicklung günstigen Ort.
    Denn bald reißen Stücke des Bandwurms ab, und die ursprünglichen Jungen gelangen dann mitsamt den entwickelten Eiern in die Kloake oder in die Kanalisationen. Hier sterben die Eltern rasch ab, aber die Eier können sich infolge ihrer Verschalung erhalten. Mit dem Wasser gelangen sie nun in Seen oder Flüsse, mit dem Dünger aufs Feld. Dort werden sie von Fischen, hier von Rindern oder Schweinen verschlungen.
    Kaum ist ein Embryo so in einen Tiermagen geraten, so löst sich die Eischale und das Tierchen kriecht aus. Es setzt sich an der Magenwand des 89 Gasttiers fest, durchbohrt sie und treibt im Muskelfleisch zu einer dicken Blase aus, die wir Finne nennen. Innerhalb dieser Finne aber bildet sich als zapfenartige Anlage nunmehr ein neuer richtiger Menschenbandwurm heraus.
    Ißt ein Mensch finniges Fleisch, so gelangt dieser Kopf in seinen Darm, er kann sich dort wieder festsaugen – und die Reise ist beendet. Wieder hat ein Mensch einen Bandwurm. Der Wille der Natur ist damit vom Standpunkt des Bandwurms in herrlicher Weise erfüllt. Neue Scharen von Kindern und Enkeln können heranwachsen.

62. Die Odyssee des Leberegels
    Quelle: Wilhelm Bölsche: »Das Liebesleben in der Natur«, erste Folge. Verlegt bei Eugen Diederichs, Leipzig, 1901.
    Romantischer noch und grausiger zugleich als die Entwicklungsgeschichte des Bandwurms (siehe den vorhergehenden Abschnitt) ist der Werdegang des Leberegels. Das ist ein kleiner Schmarotzer, der sich gern in der Gallenblase des Schafs ansiedelt, also in jenem Teil der Leber, der die erzeugte Gallenflüssigkeit in den Darmkanal entleert. Der Leberegel ist ein Plattwurm, der Darm und Mund besitzt und sich von Leberblut nährt. Er wird dadurch dem bergenden Schaf gefährlich. Denn wenn viele Leberegel in der Gallenblase sitzen, so zerstören sie die Wände ihres Gehäuses, und das Schaf geht an Leberfäule ein.
    So lange aber der Wirt noch lebt, nähren sich die Egelchen gut und vergnügt, und da sie alle zweigeschlechtlich sind, so können sie sich ebenfalls gegenseitig befruchten. Wiederum entstehen Millionen von einzelnen Eiern, die in den Darmkanal hineinfallen und von dort nach außen entleert werden. Der Regen wäscht dann die Wiesen ab, auf denen Schafe geweidet haben, und so gelangen die Eier ins Wasser. Dort wird die Eischale gesprengt, und aus jeder schlüpft eine Larve aus. Sie vermag zunächst mit Hilfe von Wimperhaaren frei herumzuschwimmen, dann aber verliert sie das Wimperkleid, taucht unter und kriecht schließlich in den Leib einer der in großer Zahl vorhandenen Teichschnecken. Dort drinnen verkapselt sich die Larve wieder zur Finne.
    Doch damit ist hier noch nicht wie beim Bandwurm das Ende erreicht, denn bekanntlich pflegen Schafe keine Teichschnecken zu fressen, und in ein Schaf muß der Leberegel doch wieder gelangen,

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