Das Buch Der 1000 Wunder
befruchtet, erzeugte die Henne eine Nachkommenschaft, in der sich etwa zur Hälfte weiße, zur Hälfte schwarze Kücken befanden. Bei Veränderung der Farbenordnung ergaben sich weiße, schwarze und schwarzweiß gefleckte Nachkommen.
Die durch die Operationen, wenigstens bei den niederen Tieren, erzeugten Schmerzempfindungen sind anscheinend nicht mit dem üblichen, an unsere eigenen Gefühle anklingenden Maßstab zu messen. Hierfür spricht deutlich das Verhalten der Individuen bei zahlreich beobachteten Selbstverstümmelungen . Gut gehaltene und scheinbar gesunde Laubheuschrecken und Maulwurfsgrillen beginnen ohne ersichtlichen Grund, langsam und gleichgültig, sich selbst aufzufressen. Zuerst werden die Füße und Beine angekaut, alsdann bei Weibchen der Legestachel, und endlich beginnt die Fresserei am eigenen Hinterleib. Bei dieser Selbstaufzehrung verraten die Tiere nicht das mindeste Unbehagen. Im Gegenteil werden die Beine z. B. – nach Riggenbach – mit einer wahren Passion gekaut. Auch in dieses Verhalten spielt die gefährliche Frage der Individuation hinein. Das einzelne Glied tritt dem Gesamtorganismus gegenüber als etwas Fremdes auf, und ehe nicht größere Klarheit über solche Bewußtseinsspaltung gewonnen wird, kann eine Lösung der vorerwähnten Operationsrätsel nicht einmal versuchsweise gewagt werden.
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66. Umänderung des Geschlechts
Wenn eine Meerschweinchen oder Rattenmutter sich männliche Nachkommenschaft wünscht und trotzdem lauter Töchter zur Welt bringt, so braucht sie deswegen nicht mehr unglücklich zu sein. Sie ruft nur den Herrn Professor herbei, und der ändert das Ergebnis des Wurfs einfach um. Denn Professor E. Steinach in Wien ist es, wie die Zeitschrift der Deutschen Mikrologischen Gesellschaft »Die Kleinwelt« berichtet, gelungen, an jungen Ratten und Meerschweinchen durch wechselseitiges operatives Verpflanzen ihrer Geschlechtsorgane künstliche Änderungen ihres ganzen Wesens hervorzurufen.
Wenn Männchen auf diese Weise in Weibchen verwandelt wurden, so änderte sich ihr ganzes Wachstum. Sie blieben klein und erhielten rundliche Formen. Die Behaarung wurde glatter und anschmiegender. Und das tollste Wunder ist, daß die Brustdrüsen dieser verwandelten Tiere sogar Milch gaben, sodaß Junge mit Erfolg daran saugen konnten. Wie richtige Weibchen zeigten die Tiere hierbei Geduld und ausdauernde Hingabe.
Es gelang auch umgekehrt, Weibchen in Männchen zu verwandeln, die so wild und raubgierig waren, wie es nur männliche Ratten und Meerschweinchen zu sein pflegen. Es trat eine Vergrößerung des Kopfs ein, und das Skelett wurde kräftiger und größer.
Diese Versuche beweisen in geradezu erstaunlicher Art die Abhängigkeit des Seelenlebens vom körperlichen. Das Vorhandensein einzelner Organe beeinflußt den Seelenzustand von Grund aus, und es geht daraus hervor, daß der Geschlechtscharakter nichts von vornherein Bestimmtes, sondern daß die Grundlage aller lebenden Wesen die gleiche ist.
Wenn man sich ein solches Experiment auf den Menschen übertragen denkt, so könnten auf diese Weise die vielen Hoffnungen nachträglich erfüllt werden, die sich vor Jahren an die Theorie des Professors Schenk über die Bestimmung des Geschlechts geknüpft haben. Aber bis dahin ist wohl der Weg noch etwas weit!
67. Ein Kompagnongeschäft auf dem Meeresgrund
Quelle: Dr. Conrad Günther: »Vom Urtier zum Menschen«, erster Band. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1909.
Daß zwei Menschen mit verschiedenen Begabungen sich zusammentun, damit jeder aus der Summe des Könnens von beiden einen größeren Vorteil ziehen kann, ist eine ja nicht gar seltene Erscheinung. Erstaunlicher aber ist es schon, 95 wenn ein solcher Zusammenschluß zweier Kompagnons auf dem Grund des Meers stattfindet und noch dazu zwischen Individuen, die recht tief auf der tierischen Stufenleiter stehen.
Da gibt es unter den Krebsen ein recht bedauernswertes Geschöpf, das durch einen im Krebssinn schweren körperlichen Mangel gezwungen ist, in eigenartiger Weise getrennt von seinen Stammesgenossen zu leben. Es ist das der Einsiedlerkrebs, ein rot gefärbtes, unserem Flußkrebs nicht unähnliches Tier, das jedoch einen weichen von der Schale nicht bedeckten Hinterleib besitzt. Um diesen ungeschützten Körperteil den zahlreichen ihm drohenden Gefahren zu entziehen, steckt der Eremit ihn in eine der vielen leer herumliegenden Schneckenschalen, die er nun zeitlebens mit sich herumschleppt. Bei Gefahr zieht
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