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Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Titel: Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sagte Sanne leise, und ich dachte dasselbe.
    »Aber … «, wollte Janine weiterdrängen, doch sie merkte an unseren Blicken, dass sie uns nicht umstimmen konnte.
    Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Ich schaute Tommy an. Er schien darauf gewartet zu haben, denn unsere Blicke trafen sich und wir verstanden uns wortlos.
    »Könntest du … ?«, fragte ich ihn leise.
    Janine begriff im selben Moment. »Du meinst … du willstseine Gedanken lesen? Aber wenn etwas ganz Schlimmes passiert ist? Ich meine … « Janine blickte uns unglücklich an.
    »Ich mache es nur, wenn ihr es wirklich möchtet.« Und dann schlug Tommy etwas vor, das es uns leichter machte.
    »Wenn es etwas ist, das uns wirklich nichts angeht, hör ich sofort wieder auf. Und ihr allein entscheidet, wie viel ich euch erzählen soll, okay?«
    Ich nahm den Arm von Sannes Schultern, sah ihr fest in die Augen und fragte: »Na, was meinst du?« Sie musste gar nichts sagen, ich kannte ihre Antwort auch so.
    »Ich kann es nicht haben, wenn Vati traurig ist.«
    »Ich weiß, wie das ist«, murmelte Janine. »Wenn bei uns zu Hause einer traurig ist, dann sind wir es auch gleich alle.«
    »Mach es!«, sagte ich zu Tommy.
    »Also gut. Aber ich muss ihn dabei ansehen.«
    »In die Augen?«, fragte ich erschrocken. »Dann wird er dich erkennen.«
    »Nein, es reicht, wenn ich ihn nur irgendwie sehen kann. Am besten, ich gehe rein und kaufe mir was zu trinken. Dann hab ich Zeit genug, und es fällt nicht auf. Außerdem hat er mich bis jetzt nur einmal kurz gesehen. Vorgestern bei euch im Wohnzimmer. Ich pass schon auf.«
    Tommy sah uns noch einmal aufmunternd an, und schon war er aus unserem Blickfeld ins Restaurant verschwunden.
    Bange Minuten des Wartens vergingen, in denen mir unendlich viele Gedanken durch den Kopf schossen. Waswar, wenn Vati und Mutti sich trennten? Bei wem würden wir wohnen? Würde Vati ausziehen? Oder Mutti? Aber sie gehörten doch zusammen. Ich hatte ein furchtbar flaues Gefühl im Bauch. Sanne genauso.
    Erst als Tommy wieder rauskam, kriegte ich mit, wie verkrampft ich dagesessen hatte. Ich sah sein ernstes Gesicht und hielt es fast nicht mehr aus, wollte endlich wissen, was geschehen war. In dem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich Gedankenlesen könnte. Aber als er dann vor uns stand, stahl sich ein Lächeln in seine Mundwinkel und Sanne und ich wussten sofort, dass es nicht ganz so schlimm sein konnte. Wir redeten ungeduldig durcheinander und bedrängten Tommy so sehr mit Fragen, dass er dazwischenfahren musste.
    »Halt, halt! Nun wartet doch mal! Ich erzähl euch gleich alles, aber lasst uns erst mal um die Ecke gehen. Euer Vater weiß nicht recht, ob er noch bleiben soll. Er hat Angst, dass eure Mutter ihn entdeckt. Ihm ist gerade eingefallen, dass sie ja hier einkaufen könnte.«
    »Was?«, rief Sanne. »Er hat Angst vor Mama? Aber warum denn?«
    »Weil man ihn entlassen hat. Er hat keine Arbeit mehr.«
    Sprachlos starrten wir Tommy an. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen. Sie wollten sich also nicht trennen! Das war erst einmal das Wichtigste. Aber gleichzeitig konnte ich mir einfach nicht vorstellen, warum man Angst davor haben konnte, zu erzählen, dass man keine Arbeit mehr hat.
    Tommy sah, wie es hinter meiner Stirn arbeitete, und zog mich von der Bank hoch.
    »Los, kommt mit! Er kann jeden Moment rauskommen!«
    Wir bogen in den nächsten Gang ein und fuhren dann mit der Rolltreppe eine Etage höher. Verstört folgte ich den Anderen. Da musste Vater sich eben eine andere Arbeit suchen!
    Oben gab es nur Geschäfte für Damenmoden, da konnten wir ziemlich sicher sein, dass unser Vater hier nicht zufällig vorbeikam. Wir verdrückten uns in eine Ecke und warteten gespannt darauf, was Tommy noch erzählen würde. Er spannte uns nicht lange auf die Folter. »Also, seine Gedanken sind ganz schön durcheinander. Er ist vor etwa einem Monat rausgeflogen.«
    »Was?«, rief Sanne. »Vor einem Monat schon? Das kann nicht sein! Er ist doch jeden Morgen zur Arbeit gegangen. Heute auch!«
    »Er ist aus dem Haus gegangen. Aber nicht zur Arbeit«, sagte Tommy ernst.
    »Aber warum denn nur?«, fragte ich verständnislos. »Ich kenne drei aus meiner Klasse, deren Väter keine Arbeit haben. Das ist doch nicht schlimm.«
    »Vielleicht ist es so, wie wenn du eine Fünf geschrieben hast. Du willst es zwar sagen, traust dich aber nicht. Und dann sind auf einmal so viele Tage vergangen, dass es irgendwie nicht mehr geht«,

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