Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
meinte Janine.
»Da liegst du gar nicht mal so falsch«, sagte Tommy. »Euer Vater hatte das schon kommen sehen. Er hat wohl einenneuen Chef, der ihn nicht leiden kann. Der wollte euren Vater loswerden. Also hat er sich schon hier und da beworben. Und als man ihn wirklich rausgeworfen hat, dachte er, einer von den anderen Jobs würde klappen. Aber dort hat man ihn dann auch nicht genommen. Er wäre zu alt, hieß es.«
»Zu alt?« Ich war vollkommen baff. »Aber hallo, mein Vater ist erst 48!«
»Ich weiß ja auch nicht«, sagte Tommy hilflos. »Aber das hat er gedacht. Und dann ist das passiert, was Janine vorhin gesagt hat. Er war zu stolz, es eurer Mutter zu sagen. Außerdem fühlt er sich jetzt nutzlos und … « Tommy zögerte und suchte nach Worten. »… Na eben wie überflüssig und aussortiert.«
»Deswegen war er immer so furchtbar schlecht gelaunt«, murmelte Sanne. »Was machen wir denn jetzt?«
»Wir könnten doch zusammen mit ihm zu eurer Mama gehen, dann fällt es ihm nicht so schwer«, meinte Janine.
Ich sah sie dankbar an. »Das finde ich total nett von dir, Janine. Aber dann müssten wir ihm ja verraten, woher wir das wissen, und das können wir ja wohl schlecht, oder?« Ich wurde jetzt richtig wütend. »Am besten, wir gehen zu diesem blöden Chef und sagen ihm, er soll Vati wieder einstellen.«
Tommy lächelte. »Vergiss es! Was ich über den in den Gedanken eures Vaters gelesen habe … das muss ein ganz übler Typ sein. Nein, wenn ihr euerm Vater helfen wollt,müsst ihr mit ihm reden. Sonst wird es nur noch schlimmer.«
»Aber dann kriegt er raus, dass wir Gedankenlesen können«, sagte Sanne hilflos.
Auf einmal stieß Janine einen Freudenschrei aus. Sie griff in ihre Hosentasche, kramte darin herum, und dann hielt sie uns triumphierend die noch verbliebenen Wunschkugeln hin.
»Und was ist damit? Wir können ihm doch einfach seine Arbeit zurückwünschen!«
»Au ja!«, rief Sanne freudestrahlend. »Und er soll noch mehr Geld verdienen als vorher!«
»Und nie mehr gekündigt werden können!«, stimmte ich begeistert zu. Aber als ich Tommys Gesicht sah, schwand meine Begeisterung sofort wieder.
»So leicht geht das nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Wir können nicht einfach so drauflos wünschen. Denkt an vorhin! Bloß keine falschen Wünsche mehr.«
»Aber das kann doch kein falscher Wunsch sein«, meinte Sanne mit Tränen in den Augen, »wenn Vati wieder Arbeit hat.«
»Nein, das glaube ich auch nicht«, beruhigte Tommy sie. »Aber es ist kein guter Wunsch, wenn er wieder seine alte Arbeit hat. Nachher schmeißt ihn dieser Chef noch mal raus oder er ärgert ihn immerzu. Ich fürchte, da ist was anderes nötig.«
Ich sah die traurigen Augen meiner Schwester und musste widersprechen: »Hör mal, Tommy, selbst wenn wir alleKugeln verbrauchen, das können doch keine falschen Wünsche sein! Lass uns doch einen anständigen Chef wünschen! Oder eine andere Arbeit! Wir können es doch wenigstens probieren?«
»Bitte, Tommy!«, drängte jetzt auch Janine.
Für lange Sekunden arbeitete es in Tommys Kopf, dann endlich hellte sich seine Miene auf, und er lachte uns an.
»Ihr habt recht! Was soll daran falsch sein, etwas Gutes für seinen Vater zu tun. Aber … « Er hob die Hände, als er unsere begeisterten Gesichter sah. »Lasst uns trotzdem mit den Wünschen aufpassen. Steck die Kugeln lieber wieder in deine Tasche, Janine. Ehe du dir aus Versehen was Neues wünschst.«
Janine stopfte die Wunschkugeln so hastig in die Tasche zurück, als wären sie heiß geworden. Und Tommy hatte noch etwas. »Außerdem glaube ich, dass wir in die Firma müssen«, sagte er.
»Warum denn das?«, wollte ich wissen.
»Weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass es nur dort funktionieren wird. Oder wisst ihr, wie wir den Chef ändern sollen, ohne ihn zu kennen? Oder welche Arbeit euer Vater genau gemacht hat?«
»Meinst du wirklich?« Sanne blickte ängstlich in die Runde. »Aber ich trau mich nicht in die Firma zu diesem gemeinen Chef!«
Tommy lachte. »Mach dir mal keine Sorgen! Erstens sindwir zu viert, und dann hast du ja schließlich für den Notfall noch deine Kugeln! Also, was meint ihr?«
Wir sahen uns an und waren uns absolut einig.
»Ich weiß nur nicht genau, wo die Firma ist«, sagte ich etwas hilflos.
»Weißt du denn, wie sie heißt?«, fragte Tommy.
Das wusste ich, denn den Namen hatte nicht nur mein Vater immer ziemlich lustig gefunden. »Krauthahn und Sohn.«
Tommy grinste.
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