Das Buch der Gleichnisse
in Verners Wohnung, die die größte war, um Abschied zu nehmen von ihr, die bald sterben würde.
Tante Valborg hatte ihren Ehemann verloren, an einer Lungenentzündung, und ihr ganzes Leben mit ihrem Jungen allein gelebt. Sie war ein Teil der Familie, das wussten alle im Dorf, und man hielt zusammen: Wenn geschlachtet wurde, bekam sie, wahrhaftig, dann und wann von den Verwandten ein ordentliches Rippenstück. Sie hungerte zwar nicht, aber es war wichtig für alle, mit dem Fleisch zu zeigen, dass man zusammenhielt.
Mit der zweiten Witwe in der Familie, also der Mutter, der Mutter des Kindes also, war es genauso. Sie bekam auch Fleisch als Symbol. Aber anderes, Bauchspeck meistens.
Das waren die beiden Witwen in der Familie.
Tante Valborg war die, die in der Nacht, als de Elof starb, Majas Jungen zu sich genommen hatte, wie zuvor erwähnt, dies schon niedergeschrieben, genug davon. Sie selbst hatte nach dem plötzlichen Hinscheiden des Gatten hauptsächlich putzen müssen, um den Sohn und sich durchzubringen, und war dann in die Hausmeisterwohnung des Bethauses in Sjöbotten gezogen, wo es ein Zimmer gab, und das war ja nicht das Schlechteste. Aber dann kam die Geschichte mit den verwechselten Kindern, wo’e Tante Vilma ihr neugeborenen Jong auf’e Krankenstation in Bureå verschlampt wurd’, so dass de echte Enquistjong aus dem rechtmäßigen Hjoggböle jetzt unter fremdem Dach im unrechtmäßigen Sjöbotten lebte!, was das letztere Dorf in Zweifel zog! Die meisten meinten, dass Auswechslung , also Rücktausch, unnötig sei. Und die Stimmung in den Dörfern war ein wenig frostig geworden gegen sie, weil Tante Valborg die Erste gewesen war, die gesehen hatte, dass de Jong verwechselt worden sein musste. Und es Vilma gegenüber angesprochen und diskutiert hatte, die weitergegangen war zur Polizei, und vors Landgericht, was nach Ansicht vieler eigentlich unnötig gewesen war. Dann hatte Valborg – das war der biblische Eiswind! – nach Småland ziehen müssen, eine Landschaft, die im Süden lag, noch vorbei an Stockholm und dann rechts.
Genug. Dort hatte sie den Krebs bekommen und war gelb geworden.
Daraufhin hatte sie einen Brief in den Norden nach Hjoggböle geschrieben und erzählt, dass sie bald heimgerufen werden würde, aber so hatte sie es nicht ausgedrückt. Er, also de Elofjong, durfte den Brief nicht lesen, wurde wohl nur als Halbwüchsling betrachtet. In dem Geschriebenen hatte etwas beunruhigend Kurzgefasstes gelegen, aber das ist ja klar: Stand man da am Ufer des Flusses und rang nach Atem, war es nicht leicht, Briefe zu schreiben oder andere Episteln.
Man stand wohl da und dachte: Jetzt! Jeden Augenblick.
Genug. Genug davon.
Das Treffen war schließlich bei Verner abgehalten worden, und Tante Valborg war ziemlich schweigsam und gelb gewesen. Sie war ja diejenige, die sich im ersten Jahr nach dem Tod ihres Bruders Elof um den Jungen gekümmert hatte, also ihn, der vor allen dieses schriftlich verfasste Zeugnis ablegt und siebenundsiebzig Jahre alt ist, sie hatte sich um ihn gekümmert, beinahe als wäre sie eine Magd und nicht die Schwägerin der Mutter. Dies, weil die Mutter ja ihre tägliche Arbeit in der Schule in Östra Hjoggböle hatte, einer Zwergschule, also vier Klassen zusammen in dem größeren Raum, die kleineren Kinder saßen im kleinen Raum. Tante Valborg war in den Jahren, nachdem ihr eigener Mann mir nichts, dir nichts gestorben war, ziemlich schweigsam gewesen und hatte die Zähne zusammengebissen und es trotz allem geschafft, dass das Geld fürs Essen für sie und den Jungen reichte, ihren Jungen also, der auch ziemlich klein und schmächtig und fast mager war.
Aber dies mit dem Umzug!
Ein Zimmer hier und ein Zimmer da. Und aus Gnade und Barmherzigkeit. Und als der Krebs kam! Sie wurde gelb, aber davor war es, als würde die Haut aschgrau, doch hauptsächlich von innen.
Genug davon. Nachdem das Treffen dort in Verners Wohnung einen Vormittag gedauert hatte, hatte das Kind – er, der also jetzt dies alles im Erwachsenenalter, und kurz vor der Grenze, niederschreibt und wahrheitsgemäß Zeugnis ablegt vor allen –, da hatte er gesehen, wie der eingeheiratete Onkel Birger, der bei den Blaukreuzlern aktiv war und im Nachbardorf wohnte, mit einer bittenden Gebärde Tante Valborg zu sich gerufen hatte und mit ihr in ein angrenzendes Zimmer gegangen war, das die gute Stube genannt wurde, weil es nie benutzt wurde und im übrigen sehr klein war; aber er hatte vergessen, hinter
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