Das Buch der Gleichnisse
Herbsttag 1977, eine Explosion gleichsam, als er erfuhr, dass Siklund sich im Irrenhaus eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und das Leben genommen hatte. Und zehn Jahre später hatte er dieses Gleichnis als Hilferuf für seine eigene Erlösung vom Saufen benutzt, wenn auch vergebens! und voller Scham!
Es war ja nicht das einzige Mal. Aber das schlimmste. Die anderen Male stimmte es nur nachdenklich.
Aber wenn es alles addiert wurde! Dann musste man sich zusammennehmen, wahrlich!
Er hatte einmal ein Theaterstück über den legendären dänischen Kommunistenführer Aksel Larsen verfasst, der zum Verräter wurde, und darüber, wie seine Überzeugung Risse bekam . Wie der kommunistische Fundamentalismus zusammenbrach, von innen heraus. Am Ende konnte dieser Larsen sich nur noch auf das altmodische Wort »Gewissen« berufen. Aber hatte er es gewagt? Nein! Die fundamentalistische Schale, die er selbst aus dem Bethaus so gut kannte, war für Larsen ein Schutzpanzer gewesen, jetzt stand er frei und nackt da, und es wurde einsam um ihn. Und wehte ziemlich kalt.
Er inszenierte das Stück selbst fürs Fernsehen. Wie wunderbar, in der Gruppe zu arbeiten! Weit entfernt von der normalen Isolation, der sich ein Verkünder aus dem Norden aussetzte, wenn er schrieb. Die Schauspieler Josephson, Granhagen und Wollter waren im biblischen Sinne so wahr angesichts seiner Textstummel, als wären sie, wahrlich!, durchgekommen und als wäre ihnen die Gnade zuteil geworden.
Zuerst hatte er sich vor der Verantwortung, Anweisungen zu geben wie ein Vorbeter, gefürchtet, und war gleichsam im Kopf zitterhändig geworden, doch dann hatte er sich gefasst.
Alles wäre himmlisch gelaufen, hätte er nicht, nachdem das Stück in den Fernsehgeräten ausgestrahlt worden war, von einem Mann in Norsjö, Tallstigen 12, wenn er sich richtig erinnerte, einen Brief erhalten, in dem die Vorstellung gelobt wurde. In dem der Mann erzählte, wie viel die Vorstellung ihm bedeutet und wie sie sein Leben verändert habe.
Es sei wie ein Weckstoß in der Kirche gewesen. Er habe sich geistlich diesem Enquist überlassen.
Das war ein Schlag. Für diesen Enquist!
Der Mann wohnte in einer kleinen Ortschaft und war Mitglied in der Gemeinde der Zeugen Jehovas. Nicht nur er, sondern auch seine Eltern und seine Ehefrau und die Kinder. Und die Zeugen Jehovas waren eine ziemlich strenge Gemeinde und ziemlich gefestigt in ihrem Glauben. Und man stellte diesen Glauben nicht in Frage und verließ die Gemeinschaft nicht ungestraft. Aber dann hatte der Mann, der den Brief geschrieben hatte, dieses Stück über den Zusammenbruch des kommunistischen Fundamentalismus gesehen und angefangen, darüber nachzugrübeln, was er selbst glaubte, und über die Gemeinde und den Fundamentalismus. Und war dies nicht ein Sektenverhalten, das den Verstand ausblendete?
Und das Gewissen.
Sollte dieser sein Gewissen jetzt höher stellen? Über den anerkannten Glauben? Und es war ja außerdem allgemein bekannt, dass der Verfasser des Theaterstücks in seiner Jugend einmal der Erweckungsbewegung angehört hatte und innig gläubig gewesen war. Und also im Glauben nicht stumm gewesen. Sondern eher überquellend. Und dann war ein Monat vergangen, nachdem das Stück im Fernsehen ausgestrahlt worden war, und der Mann aus Norsjö hatte sich, unter Gebeten und Seufzen, Gedanken gemacht und sich dann ein Herz gefasst und der Gemeinde davon erzählt und gesagt, dass er ein Theaterstück über Fundamentalismus und Gewissen gesehen habe und dass es von einem allgemein geachteten Schriftsteller verfasst war. Und dass sein Gewissen ihn jetzt dazu gebracht habe, nachzudenken.
Die Vernunft hatte ihm gesagt, dass er bisher in einer Sekte gelebt habe, doch jetzt wolle er nein sagen. Und daraufhin war er ausgestoßen worden, nicht nur aus der Gemeinde, sondern auch von der Familie. Von Frau, Eltern und Kindern. Und hatte ausziehen müssen, praktisch auf ungesatteltem Pferd.
Jetzt lebte er allein. Und in Stockholm.
Sein ganzes Leben lag in Trümmern, aber er hatte Frieden mit seinem Gewissen geschlossen.
Obwohl es ja ziemlich einsam war. Aber alles beruhte auf diesem Stück, das ihn aufgerüttelt hatte, und jetzt wollte er dafür danken, dass er zur Einsicht gekommen war. Und Frieden mit seinem Gewissen gefunden hatte. Obwohl es im Privatleben ja ein wenig einsam geworden war. Er hatte den Glauben verlassen, und da hatten alle, die er zuvor geliebt hatte, ihn verlassen. Er hatte sich sozusagen der
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