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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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schlafen. Den ewigen Schlaf. Es hatte damals, 1977, damit angefangen, dass dieser Anruf von Lisbeth gekommen war, und er hatte zugehört und war eigentümlich erregt gewesen, als ginge dies ihn etwas an, und dann hatten sie sich getroffen.
    Das mit dem Jungen, Siklund, war anderst. Er wusste ja, dass sich Siklund geradezu krankhaft in seine Bücher hineingesteigert, sich fast für eine Gestalt in ihnen gehalten, im übrigen seinen Vornamen hergeliehen hatte. Er war ja außerdem ein Cousin dritten Grades. Und dass diese Lisbeth, mit der er in Uppsala ein Verhältnis gehabt hatte, Siklund jetzt als einen Teil ihrer Examensarbeit betrachtete, und dass es einen Zusammenhang gab.
    Wenn er an Lisbeth dachte, war es immer total hoffnungslos . Er hatte sie viele Jahre gekannt, als eine nie erkaltende Flamme der Lust : Genauso schreiende Bilder stellten sich ein, und falsche. Immer wenn er an sie dachte, kamen zerfallende Bilder dabei heraus, Geschwafel. »Die nie erkaltende Flamme der Lust«! Eine zerfallende Sprache! Es war wie ein Krebs an der Niederschrift. Man wurde gelb und schrumpfte ein und starb. So war es mit der Sprache der Lust; er verzweifelte schier, wenn er las, was er krampfhaft niedergeschrieben hatte, und wollte aus Protest aufgeben. Es wurde so, alles kehrte durch sie wieder, obwohl sie sich nie sahen, und nie hatten sie sich im Sinne des innersten Raums geliebt.
    Nie als Herrnhuter!
    Mechanisch wiederholt er die Versuche, einen Liebesroman zu schreiben.
    Lange glaubte er, durch das Beispiel Søren Kierkegaards und seiner Regine eine Erklärung für die innerste Struktur der Liebe gefunden zu haben. Erst als dieser Kierkegaard sich zu einem Ungeheuer entwickelt hatte, das von der Geliebten verabscheut wurde , konnte er frei werden und wahrhaftig über die Liebe zu ihr schreiben.
    Das war Kierkegaards Syndrom. Der Gedanke hatte ihn in seinen Bann geschlagen.
    Völlig krank. Der Charakter des Arbeitsbuchs als auf dem verkommenen Abfallplatz, der einmal Granholmen gewesen war, aufgestellte Mülltonne war immer komischer. Kierkegaards Syndrom war nicht einmal eine halb brauchbare Entschuldigung. Handgeschriebene und zerknüllte Fragmente.
    Lichtjahre entfernt von der Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden.
    Er sagt sich, dass es nach Entweder – Oder aus dem Ruder läuft, jenseits der Vernunft des Fliegenfängers. Søren und Regine jetzt auseinander, wie siamesische Zwillinge nach der Operation. Nach der Trennung hatte Regine sich jedes Mal zu Søren vorgebeugt, wenn sie auf dem Sandweg vor dem Haus Sortedam Dossering 25 aneinander vorbeigingen und mit leiser Stimme geflüstert: We are running out of time!!!
    Kann man die Liebe so erklären.
    Er sah ein, dass sie von ihrem Gatten sprach. Wenn er nur sterben wollte!, hatte sie geflüstert. Und er wusste, sie hasste ihren Gatten so intensiv und mit so beschwörenden Gesten und mit so aufrichtigen Gebeten, dass es ein Wunder war, dass dieser noch lebte. Und Søren selbst blieb nur, sich ihre Liebe vorzustellen, nachdem der Gatte gestorben war, heimgerufen von Regines Hass; dass seine und Regines Liebe danach so schwindelerregend rein sein würde, dass sie die Belohnung eigentlich verdient hatte.
    Die, dass der Gatte tot wie ein Stein umsinken würde. Die Belohnung.
    Zumindest verdiente Regine eine Belohnung. Die Gebetskraft in ihrem mörderischen Hass, die intensive Anrufung des Erlösers, die Aufrichtigkeit in ihren Lockrufen dort an der Sortedam Dossering, dies alles würde sie am Ende erhören, so dass der Gatte, der sabbernde Rest eines Menschen, jetzt für immer am jenseitigen Ufer des Flusses umsinken konnte, und ihre Tränen konnten hervorbrechen, zum Lobpreis des Erlösers. Die beiden zurückgebliebenen Liebenden waren endlich frei. Kierkegaard hatte verkündet und ausgestrahlt, dass dies die Liebe war.
    Aber dann war der Gatte gestorben. Und nichts! nichts! war übrig von der Liebe. Nur Leere! Blank! Und Regine hielt ihn dennoch fest und sang böse! Als säße sie auf seinem Schädel, wie der Doppelschädel auf einem Monster, eine vollkommen normale scheintote Ehe, so dass der warme innerste Raum geschlossen war, und als wäre die Liebe in ihn eingestempelt, wie ein Brenneisen in ein Tier! Und dies schrieb er nieder! Das sollte er einen Liebesroman nennen! Man schämt sich!
    Und er wiederholt. Die Liebe konnte man nie verstehen. Aber wer wären wir, wenn wir es nicht versuchten.
    Wie viele Jahre bleiben ihm noch dort am Ufer des Flusses? Er verliert die

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