Das Buch der Gleichnisse
Kontrolle.
Die Probleme kommen in unterschiedlichen Verkleidungen. Blutstürze! Der Magen! Eine Frau namens Lisbeth! Regine!
Er hat Angst, kein Zweifel.
An eiskalten Morgen in den achtziger Jahren scheint Lisbeth ständig aufzutauchen, ein Brandzeichen, aber verdeckt. Texte, die Sibelius’ Achter Sinfonie ähneln: verrenkte Noten, die Partitur eines fortgeworfenen Lebens. Lächerliche Ausflüchte. Im Arbeitsbuch jetzt immer halluzinatorischere Aufzeichnungen. Er scheint von Verwirrung wie vom Schlag gerührt, spricht er von Erlösung oder Lust? Was ist es, das einen Menschen an einen Menschen bindet: ein Name, ein schwacher Duft, ein leichter und schimmernder Gestank von Lust, das bleibt. Es lockt einen anderen Menschen fest in den Klebstoff der Liebe. Aber ist es Liebe? Niemand kann es begreifen, es ist wie das Meer für diejenigen, die im Binnenland wohnen und von der unendlichen Fläche träumen! Und wovon reden sie! Sie vergleichen das Meer mit den riesigen kleinen Binnenseen wie dem Hornavan! oder dem See mit dem kleinen Granholmen, der jetzt Majaholmen genannt wird. Aber trotzdem behält das Meer diese unerhörte Verlockung, sie verschwindet nicht, sie klebt fest und nichts kann sie entfernen, keine Aufzeichnungen oder Arbeitsnotizen oder klarstellenden Darlegungen. Die Liebe. Das, was den Ärmsten nicht zuteil wird, die überwachsen dort im Wald stehen, nein, es wird ihnen nicht beschert, denen, die nicht fortwachsen vom Wald, die die Ausgänge nicht finden, das, was sich nicht öffnet, wie das Leben, das, was vielleicht übrig ist, wenn er sich noch einige Jahre anstrengt, ein einziges Jahr! wie viele?
Ihm bleibt nicht viel Zeit. Er sitzt fest in seinem Binnenland. Was soll er tun. Er trinkt nicht mehr. Er weiß nicht ein noch aus. Er nimmt sich zusammen.
Etwas später, aus dem Arbeitsbuch: »Du bist wohl der, der ich sein sollte . «
Er liegt im Krankenwagen und starrt an die Decke. Ist es jetzt vorbei? Was ist das, woraus nie etwas wurde? Vor dem er floh? Wie ein Hund meidet er weiter seine eigene Witterung, er kennt den Duft und weicht scheu zurück, erschrocken angesichts der Witterung, die noch nicht ausgedünnt ist, der Krankenwagen jetzt sehr schnell, bald hebt er ab. Wie ein Albatros! Sehr still war er im Juli zur Behandlung eingeliefert worden, alle Werte wiesen auf unergründliche Wahrheiten hin, niemand verstand etwas.
Warum war er so ruhig? Im Februar 1990 hatte er ein zweites Leben als Geschenk erhalten, er fühlte sich leicht, befreit, jedes Jahr ein Geschenk, unfassbar war die Leichtigkeit des Lebens. Und jetzt, nur fünf Jahre später, machte er sich nichts mehr daraus. Eingeschnürt in Schläuche und Messgeräte, wünschte er sich nur Schlaf. Sein Herzschlag immer langsamer, alles sackte ab, er machte sich nichts mehr daraus.
Dann hatten sie ihn operiert, waren in sein Herz eingedrungen, und die Herzschläge wurden wieder schneller. War dies das Leben?
Sich nichts aus dem Leben zu machen war eine Todsünde. Da hatte er es. Der Hund nahm jetzt seine eigene Witterung auf.
Dann lauf! Lauf.
Kapitel 6
Das Gleichnis
vom veruntreuten Pfund
Immer unklarere halluzinatorische Verwechslungen. Auf den neun herausgerissenen Blättern noch keine Zeichen sichtbar. Er wirkt immer unsicherer. Nach wem sucht er? Die Bearbeitung der Rede im Gemeindehaus kommt immer schleppender voran.
Was ist los?
Vielleicht hat der Hund am Ende die Witterung des Jungen Siklund aufgenommen. Eigentlich hatte er Angst vor ihm. Der Junge war im Herbst 1977 vierundzwanzig. Er selbst war dreiundvierzig. Er wurde da Zeuge der Auferstehung, vorausdeutend. Die wirkliche sollte sich viele Jahre später auf Island ereignen.
Der Hund nimmt erst da seine eigene Witterung auf.
Er hatte am letzten Abend mit dem Jungen zusammengesessen, es war ein Sonntag in der letzten Novemberwoche 1977, vor dem letzten Selbstmordversuch.
Lisbeth war im Zorn gegangen und hatte mit der Tür geknallt. Eine Stunde später war E selbst gegangen, weil der Junge gesagt hatte, er habe wirklich alles erzählt, verstehen musst du es schon selbst , hatte er hinzugefügt, allerdings nicht unfreundlich, und dann hatte er nur noch dagesessen und »Sailing« von Rod Steward gesungen.
Es gab nichts mehr zu erzählen, aber alles zu verstehen; er ging.
Das Experiment mit dem Jungen war abgeschlossen. Er selbst war vielleicht Kontrollgruppe gewesen, auf seine Weise, es war unklar, er fühlte sich unklar. Er hatte die Tür zum Zimmer des Jungen hinter
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