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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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gewisser Weise verantwortlich sei, oder auf jeden Fall mit dem Jungen reden müsse.
    Vier Jahre!
    Warum rufst du an, hatte er gesagt. Weil du zurückgelassen bist, hatte sie geantwortet.
    *
    Vergeblich versucht er, die halluzinatorische Unklarheit in den Griff zu bekommen.
    Er klagt oft die Freunde am Ufer des Flusses an. Mit der Strahlung aus ihren hasserfüllten Augen machen sie den Liebesroman unmöglich; ich weiß, dass wir sterben werden, erwidert er. Aber das, was hängenbleibt?
    Sie zeigen dann stumm auf den Jungen.
    Der Junge war in das verlogene Schmierenstück hineingekrochen. Er hatte aufgehört, Balalaika zu spielen, saß nur da und starrte vor sich hin. Erzähl, was du dir gedacht hast, Lisbeth , hatte dieser Siklund dann mit einem schüchternen kleinen Lächeln gesagt.
    Eigentümlicherweise keine Gemälde oder Bilder an den Wänden. Kleine Löcher in der Tapete, als hätte jemand Bilder losgerissen. Gekritzel an den Wänden, kleine Notizen, mit Bleistift geschrieben, die meisten unmöglich zu deuten. Diese niedergeschriebenen Gebete, wie auf Notizblöcken, wie ein Chor von Stimmen , dachte er manchmal, Gebete von ihr, die verrückt wurde und mit Sechszollnägeln heimliches Geflüster an den Jungen Siklund einritzte. Was war das für ein Leben, von dem sie träumten. Oder war es nur die Angst, ausgelöscht zu werden, dort am Ufer des Flusses.
    Hauche mein Gesicht hervor . Er erkannte es!
    Ein Tisch, ein Stuhl. Papier und Bleistift. Von hier hatte Siklund fünfzig Briefe an Enquist geschrieben. Lisbeth hatte gesagt, sie wisse nicht, was darin stehe. Hast du die Briefe gesehen, hatte er gesagt. Selbstverständlich nicht, hatte sie geantwortet. Er schreibt nicht in einer neuen Zeile weiter, wenn die erste zu Ende ist, so dass das Geschriebene überdeckt wird, hatte E gesagt. Konntest du es lesen? Nein, aber er hat es an dich geschickt, hatte sie gesagt. Du solltest es wissen. Ein schwarzer Teppich, hatte er gesagt, unmöglich, ein einziges Wort zu erkennen. Halluzinatorisch! Ja, aber es zu verstehen ist deine Verantwortung, hatte sie entgegnet.
    Verantwortung?
    Erzähl ihm, was du dir gedacht hat, Lisbeth, hatte der Junge sehr freundlich gesagt.
    Da hatte sie das Projekt erläutert, das ein Gemeinschaftsprojekt von Universität und Krankenhaus war.
    Irrenhaus, hatte der Junge eingefügt. Irrenhaus, wie wir Aktive zu sagen pflegen.
    Sie ließ sich nicht stören. Lisbeth hatte mit der unerhörten Ruhe gesprochen, die er so gut kannte, diese beunruhigende Ruhe und die totale Kontrolle, die ihm einen solchen Schrecken eingejagt hatten und ihn für kürzere Augenblicke dazu brachten, ihr zu glauben, wenn sie, obwohl sie diese beinahe virtuose sexuelle Begabung war, behauptete, nie Freunde gehabt zu haben, und das zu mögen ; es war vielleicht irgendwie ein Teil der Sexualität. Eine Voraussetzung für die fast selbstverständlich hervorgerufenen seriellen Orgasmen. Er hatte Lisbeth erzählt, wie es einmal angefangen hatte, also mit der einundfünfzigjährigen Frau auf dem Larssonhof, und dass es das vielleicht stärkste religiöse Erlebnis seines Lebens gewesen sei, vielleicht das einzige, das ihn dazu gebracht hatte, trotz allem am Glauben daran festzuhalten, dass es das religiöse Wunder wirklich gab und dass es ihm einmal helfen würde zu überleben . Aber da war sie ganz überraschend aus der Haut gefahren, hatte sich ihre Sachen übergeworfen und war gegangen, und das war der Anfang vom Ende.
    Ja, man bedankt sich. Wirklich.
    Manchmal war ihm der Gedanke gekommen, dass er in der ganzen Zeit, in der die Mutter noch lebte, niemals, nicht ein einziges Mal!, das Sexualleben der Eltern berührt hatte; vielleicht musste er die neun oder eher achtzehn herausgerissenen Seiten so deuten!
    Lisbeth hatte ihre lächelnde Ruhe auch behalten, als sie sich trennten, im übrigen war sie es, die ihn hinauswarf. Er erkannte den Tonfall wieder, es war wohl dies, was sie in Albert Schweitzers Lebensbejahung ins Werk zu setzen versucht hatte, was dazu geführt hatte, dass das Projekt scheiterte. Die Lebensbejahung sträubte sich vielleicht, ließ sich nicht in ihre glänzende sexuelle Begabung einfügen, leider. Auf jeden Fall: Er erkannte es wieder. Aber dies mit dem Jungen schien etwas anderes zu sein.
    Sie hatte am Telefon geweint!
    Die Eissäule hatte geweint. Es war unglaublich. Als ob die Eishaut zu schmelzen begänne. Hatte er etwas an ihr missverstanden, an der Königin der Fliegenfänger? Aber es fand sich ein

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