Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
er hatte gefragt So viel? Es war doch ganz kurz? , und sie hatte an ihrer Forderung festgehalten und hatte ganz komisch geklungen, und ihre Augen waren überhaupt nicht mehr so warmherzig wie sonst, also wenn sie mit den Hefestollenscheiben und dem Milchglas kam. Und, hatte sie weiter gesagt, sie könne ja auch seine Mutter bitten, die Kosten für das Gespräch mit der Frau in Södertälje zu überweisen.
    Dies hatte er eilig abgelehnt. Also hatte er keine andere Wahl als zu blechen.
    Dann hatte es bis 1958 gedauert.
    Er war unten in Stockholm bei den Schwedischen Leichtathletikmeisterschaften gewesen und hatte das Treppchen verfehlt, weil er Vierter geworden war, und war ziemlich enttäuscht. Aber am Abend hatte er sich zusammengenommen und einen Entschluss gefasst. Er würde sie noch einmal anrufen. Es half ja nichts, Tag für Tag an die Frau aus der Larssonküche zu denken, und sich abspeisen zu lassen half ebenso wenig; im übrigen war er es ja selbst gewesen, der in Panik den Hörer aufgelegt hatte!, und weil er bei seiner Tante Elsa übernachtete, ja, es war die mit der Unterlippe, die zitterte, als sie neunzig wurde, und er hatte es geerbt, also die Unterlippe, wie Frankensteins Monster, ja, alles schon gesagt, sie war also zum Glück am Morgen zum Konsum gegangen, um Dickmilch zu kaufen; da hatte er zum Telefonhörer gegriffen und ihre Nummer angerufen, in Södertälje. Denn wenn er eins in Erinnerung behalten hatte, dann war es ihre Nummer! Die hatte er in seinem Bewusstsein eingeritzt! Wie mit einem Sechszollnagel in die Wand gleich der Alten, die verrückt wurde, als ihre sechs Kinder blau geworden und gestorben waren! – es war die Würgekrankheit, zuvor erwähnt – oder wie eine Telefonnummer im Notizblock, dessen leere Blätter er jetzt 2011 auszufüllen versuchte! Dies also nur als Bild oder Gleichnis, genug davon.
    Und sie hatte sich gemeldet!
    Er hatte sich aufs Neue vorgestellt, mit verschiedenen Details. Ja, er erwähnte wieder die Limonade, falls sie sich erinnerte; und er sagte, dass er zwar nur Vierter geworden sei bei der Schwedischen Meisterschaft, obwohl er ziemlich dicht an zwei Metern gewesen sei, was eine Lüge war, denn er hatte schon bei eins fünfundneunzig klar gerissen, aber er erinnere sich ja, wie sie sich dafür interessiert hatte, dass er in der B-Mannschaft von Bureå spielte, und für die halbe Limonade in der Pause. Diesmal unterbrach sie ihn nicht, und er erzählte ziemlich klar und ausmalend .
    Er hatte einen Plan.
    Der lief darauf hinaus, dass er sich ausführlich vorstellen wollte. Also mehr persönlich. Damit sein Charakter besser zur Geltung kam. Vielleicht in leicht humoristischer Form, damit sie den Hörer nicht aufknallte. Und am Ende fragte er, ob sie sich sehen könnten.
    Ganz kurz. Bei einer Tasse Kaffee oder so. Bevor er mit dem Nordpfeil wieder nach Hause fuhr.
    Zwischendurch war es gleichsam stumm im Hörer, aber sie war noch dran. Und plötzlich hatte sie ihn mit einer ziemlich komischen Stimme an sein Versprechen erinnert. Dass er versprochen habe, nie, niemals auch nur einem einzigen Menschen etwas zu erzählen; und sie fragte ihn jetzt und wollte es ganz ehrlich und auf Ehrenwort wissen, ob er sein Versprechen gehalten habe. Und da hatte er bekräftigt, dass er dieses Versprechen gehalten habe, und er hörte an seiner eigenen Stimme, dass er ein bisschen zitterte, und es war wahr! Wahrlich, wahrlich, er hatte keinem einzigen Menschen etwas von diesem Großen, das er erlebt hatte!, erzählt. Dann war es eine lange Weile gleichsam still geworden im Hörer, und er hatte gesagt Hallo? Und sie hatte geantwortet, dann müssen wir wohl miteinander reden .
    Dass ist unausweichlich. Es führt kein Weg daran vorbei.
    Sie war auf einmal sozusagen ganz sachlich geworden und hatte ihm eine Abfahrtszeit für den Lokalzug nach Södertälje genannt und wann er ankäme, und sie schien ihrer Sache ziemlich sicher zu sein; das war vielleicht ganz natürlich, sie fuhr wohl eifrig zwischen Stockholm und Södertälje hin und her, wie man sich leicht vorstellen konnte.
    Und wo treffen wir uns? Hatte er gefragt.
    Du kommst um fünfzehn Uhr fünfunddreißig an, hatte sie geantwortet, und wir treffen uns auf dem Bahnsteig, du setzt dich auf die letzte Bank ganz am nördlichen Ende, und da bleibst du sitzen, bis ich komme. Am nördlichen Ende, hatte er gefragt, weiß ich denn, wo Norden ist? Sie hatte erwidert, du weißt doch wohl, in welcher Himmelsrichtung das Moos an den Bäumen

Weitere Kostenlose Bücher