Das Buch der Gleichnisse

gelangten zu den alten Plätzen, die jetzt plötzlich ganz anderst waren. Die Grotte der Toten Katzen!
    Da fühlte er: Jetzt! Lauf los!
    Wie sich auf Skiern den Bensberg hinabzustürzen! Und man musste es tun, obwohl es schlimm ausgehen konnte.
    Aber das war es wert. So war wohl das Leben.
    Wenn man aufsuchte und es anderst war, dann musste man es zusammenbekommen.
    Das war eine Möglichkeit.
    An diesem Tag war er später mit Kim losgekommen, aber er hatte das Gefühl, dass der Wald sich in so aufmunternder Weise um ihn scharte, dass er es zusammenbekommen würde . Die Dunkelheit hatte eingesetzt, doch das machte nichts.
    Die Katze bewegte sich wie ein roter Schatten auf dem Pfad neben der Mauer, und es war ein gutes Gefühl, und er selbst war schon nach ungefähr dreißig Minuten, dank der Vorstellungskraft des Großvaters, beinahe oben an der Grotte der Toten Katzen angelangt. Es waren vielleicht noch hundert Meter bis zum Gipfel, und alles fühlte sich schön und ruhig an, und wäre er eine Katze, doch das war er ja nicht, wäre er ganz cool da gegangen und hätte geschnurrt. Und es war so gegen 18.00 Uhr. Einen Augenblick hatte er an Kim und den Lama gedacht, und dann an den Wohltäter im Krater auf der Geheimnisvollen Insel, der fast ein Fliegender Holländer war, wenn man so wollte. Und gleichzeitig kam die Musik! Zuerst ein wenig halblaut, dann unisono anwachsend! Kam in der Dunkelheit, während die Katze vor ihm durch seinen Wald ging, es war sie! Es war die Mutter! Und sie sang.
    Er erkannte es wieder! Es war sie! Und sie sang Panis Angelicus, Engelsbrot, wie sie es im Bethaus zu singen pflegte! Solo! Während Elsa Lundström aus Yttervik sie auf der Orgel begleitete. Sie sang mit ihrer ziemlich schönen Stimme, in die sie einmal so viel Hoffnung gesetzt hatte.
    Aber da, plötzlich, kam ihm Eriksson auf dem Pfad entgegen.
    Einmal war er mit Hilfe der Mutter der Kontrollgruppe entronnen. Aber jetzt kam die Strafe. Das war die Erklärung. Er war jetzt von der Kontrollgruppe eingefangen, und es geschah in Paris. Das war der Grund.
    Er war zurück, eingefangen, zurückgeschleudert an den Platz unter der Rindentrommel, obwohl alles so vielversprechend gewesen war .
    Deshalb sollte die Achte Sinfonie nie geschrieben werden. Und da half nicht der immer hilflosere Gesang der Mutter, das Panis Angelicus, das war der Grund. Er hatte alle Möglichkeiten gehabt, Gott hatte ihm eine Katze zugeteilt, er war der Begünstigte in der Versuchsgruppe, hatte alle Privilegien, er hatte die Schreibgabe, aber jetzt hatte er sein Pfund veruntreut.
    Er hatte alles gehabt. Jetzt hatte er nichts.
    Jetzt war er selbst Kontrollgruppe.

Kapitel 7
Das Gleichnis von den fünf Tulpen
    Im Arbeitsbuch jetzt nur kürzere Notate. »Das Gleichnis vom herausgerissenen Rätsel«; er scheint aufgegeben zu haben. Oder sucht er jetzt anderswo? »Wenn er schrieb, hatte er nie Angst, aber nur dann.« Durchgestrichen, als verlogen. Oder: »Er wusste, dass er vielen für vieles zu danken hatte, aber er tat es nie. Er wusste, dass er dann verloren wäre.«
    Unterstrichen!
    Seine Angst war immer gewesen, eingefangen zu werden.
    War er sich dessen bewusst? Festgeklebt, im Unterschied zu der ersten Frau, der auf den Kieferndielen auf dem Larssonhof. Sie hatte die Augen geschlossen und nur die Tür zum innersten Raum geöffnet, wo sie sich vereinigt hatten wie zwei spielende Kinder, und hatte danach ganz schlicht adieu zu ihm gesagt. Und ihn gehen lassen, ganz befreit, als sei dies mit dem religiösen Erlebnis auf dem Larssonfußboden ein nahezu maßloses religiöses Erlebnis gewesen. Das ihn jedoch, nachdem er den innersten rätselhaften und phantastischen Raum verlassen hatte, nicht in lebenslänglicher Gefangenschaft band, einer Versklavung gleich, die im Himmel oder in der Hölle enden würde – an beiden Orten gemeinsam mit dem Vater, es war ja unklar, an welchem! Es hing vielleicht von den achtzehn leeren Seiten ab!!! –, und das ein Erlebnis gewesen war, das sich zunächst schuldbeladen, also zwei Zentimeter , aber dann vollkommen himmlisch angefühlt hatte.
    Und das keine große Verpflichtung mit sich gebracht hatte, sondern nur wie Erlösung mit Freiheit war.
    Genau diesen Ausdruck hatte er in der Sommerwoche 1953 in Munkvikens Freizeitheim als Thema für eine Gruppendiskussion vorgeschlagen, also in der Nähe von Lövånger, wo sich gläubige Gymnasiasten aus dem Küstenland von Västerbotten zum Gebet und zur Glaubensstärkung versammelten.