Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
Vom Netzwerk:
auf einen Notizblock wie dem, den die Mutter nach dem Fortgang des Vaters verbrannt hatte. In dieser Form über sich selbst nachdenkend, saß er vor dem Kippenhaufen und in seinem Schädel drehte es sich; Wiederholungen! Also trinkt nicht! Aber schreibt! Und ist rank! Und hat jetzt eine ältere Frau angerufen, mit der er einmal vereint war und die ihm damals Erlösung mit Freiheit gegeben hatte. Und ist es das, Mensch zu sein, ist das der eigentliche Sinn des Lebens ?
    War das Leben nur dies? Ein zusammengeschustertes Wesen zu sein, in dem aber dank der fürchterlichen Vorstellungskraft, dieses Riesenmuskels, etwas einen immer größeren Platz einnahm?
    Da sah er, dass sie kam.
    Sie ging ruhig, trug ein graues Kostüm, und er erkannte sie, obwohl neun Jahre vergangen waren. Kein Zweifel. Ihr Haar war immer noch braun, aber jetzt trug sie ja Kleider, so dass er andere Vergleiche fallen ließ.
    Die Augen, ja.
    Sie trat vor ihn, und er stand auf, sie streckte die Hand aus, und sie gaben sich die Hand, und sie zeigte auf die Bank und sagte, wenn er sich an das eine Ende setzte, würde sie sich an das andere Ende setzen, und er verstehe vielleicht, warum sie wolle, dass sie getrennt säßen. Damit niemand etwas falsch verstehen könnte. Ich möchte es, und du verstehst sicher, warum. Er hatte sich daraufhin gesetzt, und sie setzte sich tatsächlich ans andere Ende der Bank, in südlicher Richtung sozusagen, er fand es sehr unklar und verwirrend, wie sie sich setzen sollten, und deshalb erwiderte er in sehr positivem Tonfall:
    »Aber das ist doch klar.«
    Es muss im August gewesen sein, wegen der Schwedischen Meisterschaft, es war ganz still und gleichmäßig bewölkt, und zuerst schwiegen sie beide. Keiner von ihnen meldete sich zu Wort. Doch dann sagte er, sie fände es vielleicht sonderbar, dass er angerufen habe, und er wolle ihr ja nicht zur Last fallen, wie man so sagte, also lästig werden. Aber er habe so viel nachgedacht, und an sie gedacht, er habe ziemlich schön gedacht, wenn er einmal so sagen dürfe, und genau da, als er zu dem Ich habe so viel an dich gedacht gekommen war und danach zu dem mehr persönlichen und ziemlich schön , war plötzlich Totalstopp gewesen.
    Absolut Stopp.
    Nicht dass er hemmungslos zu flennen anfing, aber halbwegs, er konnte sich nicht richtig ermannen. Und da hatte sie den Kopf gedreht und ihn eine Weile angesehen, während er dasaß und seine Fassung zurückgewann, gleichsam hechelnd, wie nach einem Geländelauf, also höchstens schniefend, weg damit, und die linke Hand vors Gesicht hielt, die andere hatte er gegen den Trainingsanzug gedrückt (es war Bureå IF ), wo die Tulpen steckten, die zu überreichen er völlig vergessen hatte. Sie sah ihn an, aufmerksam, gleichsam fragend, aber sie hatte sich nicht bewegt. Und als er eine Körperbewegung machte, als wolle er eine Winzigkeit in ihre Richtung rutschen, während er immer noch leicht schniefte, hatte sie ihn mit einer einzigen Armbewegung gestoppt! Eindeutig! Wie ein Stoppschild! Fast wie die eindeutige Armbewegung, mit der Dutzende Jahre später eine sehr schöne Psychoanalytikerin in Kopenhagen den alkoholisierten Restmenschen, der er geworden war, auf Distanz hielt, genau mit einer solchen abweisenden Gebärde! und damit jegliche Form von gefühlsmäßigem oder körperlichem Kontakt verhinderte.
    So erniedrigend, damals in Kopenhagen, als wäre er ein Kind, das die ausgestreckten Arme zu seiner Mutter aufhebt, und diese weist es ab! Weist es ab! Mit einer abwehrenden Geste, deren Bedeutung vielleicht ist Fahr zur Hölle! Oder nur Ich ertrage deine verquere Seele nicht!
    »Bleib sitzen!«, hatte sie gesagt.
    Sie blieben beide sitzen, und es kamen keine Züge, auch Güterzüge fuhren keine durch, und es musste fast eine Minute vergangen sein oder eine Viertelstunde. Es war wie mit der Ewigkeit, hatte er einmal durch Lektüre des Erlösungsbuchs festgelegt, ein Sandkorn wie tausend Jahre. Und da begann sie gleichsam mit dem Fuß vor sich auf dem Bahnsteig zu zeichnen, es war Zement, wie in Kreisen, und dann sagte sie, dass sie in den vergangenen Tagen viel nachgedacht habe. Und dass jeder von ihnen gleichsam auf seiner Seite säße, hinge vor allem damit zusammen, dass sie hier und da Bekannte habe, und Vertrauensposten, und im Kirchenvorstand sitze, ja, es sei eine ganze Menge, und sie wolle nicht, dass diese Leute sich wunderten. Aber das ist klar, sagte sie beinahe mit einem Lächeln, wenn jemand uns beide so komisch hier

Weitere Kostenlose Bücher