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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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wächst! Und da hatte er einen Augenblick nachgegrübelt und gesagt, er sei nicht sicher, ob das Moos auf der Nordseite oder der Südseite wuchs. Aber sie hatte kurz erwidert, soweit ich mich erinnere, warst du nicht auf den Kopf gefallen, und du solltest dich nicht dümmer stellen, als du bist. Nein, das ist klar , hatte er entgegnet, das war ein Scherz , es gibt ja wohl in Södertälje keine Bäume. Jedenfalls nicht auf dem Bahnsteig , hatte sie gesagt. Auch keine Kiefern? Nein, keine Kiefern und keine anderen Bäume. Soll ich ein Erkennungszeichen tragen , hatte er gefragt, eine Blume im Knopfloch oder so? Nein, hatte sie ihn da heftig unterbrochen, als habe er etwas Falsches gesagt, aber sicher war er sich nicht. Ich erkenne dich schon , hatte sie in etwas nettigerem Ton geantwortet. Ich erinnere mich . Ich habe übrigens kein Jackett, hatte er da eingeworfen. Was hast du denn? Eine Trainingsjacke, auf der Bureå IF steht . Ja, nimm die, hatte sie geantwortet. Und dann war sie still geworden. Kommst du, hatte sie am Schluss gefragt.
    Ich komme, hatte er geantwortet. Fünfzehn Uhr fünfunddreißig, die nördlichste Bank.
    Dann hatte es im Hörer geklickt, und da legte er auch auf, obwohl er ein wenig zitterhändig war, und gerade da kam Tante Elsa zurück, ja, die mit der Unterlippe, und es war fast schön, dass sie gerade in dem Moment kam, sie trug die Konsumtüte mit der Dickmilch, und sie sagte, Was ist, ist alles in Ordnung? Und er sagte prima, prima , und dann begannen sie gemeinsam das Morgenmahl.
    *
    Er ging auf dem Bahnsteig nach Norden, also vom Zug aus gesehen zurück. Den gekauften Tulpenstrauß hatte er unter die Trainingsjacke gestopft, es kam ihm so dumm vor, ihn inne Hand zu halten.
    Der Zug war pünktlich gewesen, aber er war trotzdem nervös. Er wusste eigentlich nicht, warum er angerufen hatte. Aber er hatte es sich so lange vorgestellt und vorgestellt. Und er konnte weiter darüber nachdenken, dass es aufquoll, und dann gab es kleine Erinnerungen und große. Und dies war eine ziemlich kurze Erinnerung, ungefähr drei Stunden, wenn man die Analyse von Bernhard Nordhs Werk hinzurechnete, die mit den Jahren begonnen hatte anzuwachsen, und auszufüllen . Und sie füllte zweifellos einen so großen Raum in ihm aus, dass es sich beinahe anfühlte, als müsste er zerspringen. Manchmal dachte er an den Großvater P.W. und seine Erzählungen von den Abenteuern des Kreuzfuchses, und dann hüpfte dieser Ausdruck hoch, die Vorstellungskraft! Dieser Riesenmuskel! Mit der Vorstellungskraft war man ja frei und konnte große und kleine Erinnerungen versetzen und umgestalten, und dies mit dem Riesenmuskel erklärte ja so vieles.
    Und es hörte sich ja scharf an.
    Aber die Frau auf dem Larssonhof hatte, so lange danach, gleichsam angefangen, seine Gedanken und Erinnerungen, also eher seine Sinne, auszufüllen, und am Ende gab es nahezu keinen Platz mehr für etwas anderes.
    Es war wie eine Selbsterlösung, die schiefgelaufen war.
    Er ging den Bahnsteig entlang nach Norden, und dann endete der Bahnsteig, und richtig, da stand eine Bank. Sie war leer.
    Er dachte daran, dass er mit der Mutter einmal in Södertälje gewesen war, als er sie zu einer Sommerwoche der Missionsvereinigung der Lehrerinnen, LMF , begleitet hatte, aber jetzt war es ja gleichsam ein anderes Anliegen, und ziemlich anderst. Er setzte sich auf die Bank und schaute nach oben, er saß also unter einer Art Dach, für den Fall von Regen oder anderen Niederschlägen. Raucher hatten Kippen auf den Bahnsteig geworfen, der aus Zement war. Er hatte damit gerechnet, dass sie schon auf der Bank säße, und der Gedanke, unverrichteter Dinge zurückfahren zu müssen, machte ihm zu schaffen.
    Er setzte sich ans nördliche Ende der Bank und starrte auf die Zigarettenkippen.
    Er rauchte natürlich nicht, und ebenso wenig trank er. Er war ja seit seinem siebten Lebensjahr Mitglied im Heer der Hoffnung, also der Jugendabteilung des Blauen Bandes, und hatte ein Enthaltsamkeitsgelübde abgelegt. Aber er war rank, einen Augenblick dachte er daran, und danach an die Frau vom Larssonhof, und dachte dies bin ich .
    Daraus bestand er. Aus kleinen Teilen zusammengesetzt, wie ein zusammengeschustertes Monster Frankensteins, das nicht raucht und nicht trinkt und viel liest und manchmal kleine Textstücke in ein Notizbuch schreibt, also keine Romane, sondern eher kürzere Romanzusammenfassungen, ein Bernhard Nordh war er eindeutig nicht, noch nicht; er schrieb eigentlich

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