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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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bewachte.
    Die Vogelbeeren sah er vom Linoleumboden aus. Die Eberesche stand gerade vor dem Fenster und versperrte ihm die Sicht aufs Tal. Als er älter wurde, nicht länger ein Kind war und keine kindlichen Gedanken mehr hatte, stand er auf und sah das Tal. Dann spannte er die Flügelfedern, wie Muskeln, und hoffte, dass das Fenster bei ersten Anflug zerschlagen werden konnte.
    Und die Mutter hatte ihn da demütig gewarnt: Wer hoch fliegt, kann tief fallen.
    Jeden Nachmittag zwischen 16.00 und 18.00 Uhr hatte der Junge die Katze mit auf seine Wanderung genommen.
    Die Trainingsschleife, die 320 Meter lang und von einer 2,50 Meter hohen Mauer begrenzt war, ging er Runde um Runde auf der Innenseite. Sie war asphaltiert. Eigentlich war vorgesehen, dass alle im Irrenhaus dort gehen sollten, aber er und die Katze Kim waren fast immer allein. Man konnte die Runde machen und sich vorstellen, wie es im Wald war . Er konnte zwar nur die Innenseite der Mauer sehen, aber Großvater P.W. hatte ihn die Bedeutung der Vorstellungskraft gelehrt, und das konnte er jetzt anwenden.
    Es war wie ein Freibrief.
    Der Kreuzfuchs hatte ja das Gleiche angedeutet. Es hing zusammen. Und es gab keinen Grund, sich dafür zu schämen, dass er eine Dichternatur geworden war, und es hatte ihn ja auch einmal gerettet, auf Island, genug jetzt davon. Genug! Der Wald, den er jetzt mit der Kraft seiner Vorstellung beherrschte, erstreckte sich nach Osten und war enorm; aber er war nie weiter gegangen als bis zur Spitze des Bensbergs, die 113 Meter über dem Meeresspiegel lag, und fast immer legte er unter dem eigentlichen Gipfel eine Pause ein, wo im übrigen der später umgesägte Wachturm für die feindliche Flugüberwachung errichtet worden war. Da war Eeva-Lisa! Ja, er wollte nicht weiterdenken, aber es war auf jeden Fall da . Gleich unter dem Gipfel lag Die Grotte der Toten Katzen. Er konnte dort hinaufgehen, mit Hilfe der Vorstellungskraft , und dort eine Weile ausruhen und sich gleichsam fassen.
    Er hatte die Katze an einer Schnur. Die Geisteskranken, zu denen er ja nicht gerechnet werden konnte, sowohl die Irren, die Nichts hatten, also die in Kontrolle, als auch diejenigen, die hatten, brachten Skepsis und Hohn zum Ausdruck, wenn er jeden Tag mit der Katze an einer Schnur loszog. Ihr Standpunkt war, dass man einen Hund an einer Schnur haben konnte, aber keine Katze.
    Es war ja lächerlich, Hund konnte er selbst sein.
    Ein Hund war ja von Witterungen besessen, für ihn bestand die Welt aus Witterungen, die zusammenflossen, so dass der Hund nie zwischen der Welt der Witterungen und der wirklichen unterschied! Und manchmal erschnüffelte er seine eigene Witterung und wurde aus guten Gründen von Angst gepackt und brach ab! brach ab! Im Kopf fast gelähmt. Beinahe erlöst, wenn auch nicht auf die scharfe und große Art und Weise wie der religiöse Durchbruch im Larssonhof!, aber durch eine Katze. Die Katze blickte auf und nach vorn.
    Eine Katze hatte etwas ganz Zukunftsorientiertes. Sie war nicht von der Witterung der Geschichte besessen. Mit August in Paris war es das Gleiche, in der abgeschlossenen Wohnung mit den Kleiderschränken voller Alkohol. Da war weiß Gott keine Rede von Angst und Reue und Tadel. Da galt nur Schnauze hoch und Zukunftsglaube .
    Wenn er mit Kim an der Mauer entlangwanderte, ging er durch den Kiefernwald hinauf zum Bensberg. Es war möglich, dank der Lehren P.W. s, und in gewissem Maße des Kreuzfuchses, also der Einsicht bezüglich der Vorstellungskraft. Die Vorstellungskraft! Dieser Riesenmuskel! war notwendig im Wald und auf der Innenseite der Mauer, wohin die Kraft die umherwandernden Bäume versetzt hatte.
    Es gab ja Plätze im Wald, die er hergerichtet und festgelegt hatte. Sie glichen Schützenständen, wo er sich verteidigen konnte, und die sicher waren. Dann gab es Pfade zwischen diesen Plätzen. Aber wenn er auf den Pfaden zwischen den festgelegten Plätzen ging, war es, als ob das Alte und Festgelegte ganz anderst wurde. Es war schrecklich und glich zugleich etwas, das atemlos war. Er fand, dass es ein neues Leben wurde, ganz unglaublich . Man konnte das alte Leben aufsuchen, und es stand auf dem Kopf, oder wie man es nun ausdrücken wollte. Man sollte es wohl nicht ausdrücken, das hieße ja benennen!, man konnte einfach losspringen, beinahe haltlos.
    Er ging mit der Katze an der Schnur, und es war ziemlich gemütlich, und er hielt die Schnur, und die Katze führte ihn gleichzeitig auf Pfade oben im Wald, und sie

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