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Das Buch der Gleichnisse

Das Buch der Gleichnisse

Titel: Das Buch der Gleichnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Olov Enquist
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Tod, überhaupt nicht quälend gewesen sei, sondern dass alle Menschen das Recht hatten, eine rote Katze zu sein, die sich in Gottes Armbeuge bohrte. Und dort hatte die Katze gelegen, während sie beide starben, und es war überhaupt nicht sonderbar. Sie hatten sich in den Fluß des Pfeils hinabgesenkt, und die Katze Kim hatte geschnurrt und sich gut gefühlt, und es war ganz natürlich, dass Gott eine Armbeuge war, warm und sicher.
    Wozu ist einem ein Gott gut, wenn man sich nicht in seine Armbeuge bohren und es schön haben und einschlafen und sterben kann?
    Die Wahrheit war, dass er schlecht darin war, Gleichnisse zustande zu bringen.
    Hinterher, als die Pariser Jahre vorüber waren, waren die Meisterdenker ja gekommen und hatten ihn gebeten zu erklären, warum er versucht habe, sich auf diese langwierige Art, die so widerwärtig war und stank und allen weh tat, selbst umzubringen. Aber das Einzige, was ihm einfiel, war, das Gleichnis von dem Jungen und der roten Katze zu erzählen. Darauf konnte er verweisen. Das war das Gleichnis. Und dann konnte er dieses Gleichnis auf die neun Blätter einschreiben und sagen begreift ihr?
    Und dann wie der Junge Siklund sagen: Ich habe alles erzählt, wie es war. Begreifen müsst ihr es schon selbst.
    Und er weigert sich, mehr von dieser Witterung seiner selbst einzuatmen.
    Verblüffende Aufzeichnung im Arbeitsbuch:
    »Für den Fall, ich wünschte, wenn ich auf der anderen Seite des Flusses bin, mich selbst anzusprechen, also wenn man sich vorstellt, ich stände noch dort und glotzte ganz ratlos, kann ich dann hoffen, dass die Mitteilung ankommt? Vom toten Ich an das lebende Ich? Oder wenn jemand, den ich geliebt habe, der aber tot ist, mir mit Rat und Hinweisen beistehen wollte, oder mir Lebensmut oder Lebensbejahung wie Albert Schweitzer eingeben, oder jemandem, der im Begriff ist, auf dem Lebensweg völlig aus der Spur zu kommen, nur eine Winzigkeit Glauben zu vermitteln, wäre das möglich?«
    Es ist klar: Die Liebe war eine unerhörte Kraft. Man konnte ja hoffen. Und es sich vorstellen.
    Der Frau vom Larssonhof war es ja gelungen, wenn man es so sah. Warum durfte man es nicht so sehen. Warum wollte man dem Leben auch dies nehmen. Das war wohl unnötig.
    Nehmt uns nicht auch noch dies.
    *
    Er hatte eine Sache vergessen: Das Telefongespräch mit T. Die Freunde, die wegstarben.
    Es begann sich zu lichten. Aber konnte man wirklich auch dies in die berichtigte Rede für die Mutter bei der Gedenkstunde im Gemeindehaus einfügen?
    Das Scharfe wurde ja aus dem Riesenschlund des Nebels geboren. Das Barmherzige war, wenn der Schlund sich schloss. Ja, das Barmherzige, am Ende waren die Barmherzigkeit und die Liebe, deren man sich nicht verdient gemacht hatte , hieß es nicht agape? – am Ende war das alles, was blieb.
    Gegen 20.00 Uhr am 3. Februar 2012 rief ein Freund namens T an, der klarsichtig war, aber gleichsam auf Gnade überlebte und einer in der Schar am Ufer des Flusses war; er fragte nach einem anderen der Freunde.
    Dieser war seit einer Woche mausetot. Es hatte in der Zeitung gestanden.
    Über manche wurde in der Zeitung geschrieben, wenn sie starben, wie beispielsweise über den Vater, der einen ziemlich langen Text in der Lokalzeitung Norra Westerbotten bekam, und in der Regel wurde ausschließlich positiv geschrieben. Das galt auch, kann man sagen, für den Freund, der jetzt den Fluss überquert hatte. Doch war es im letzten Jahr ein undeutliches Leben gewesen. Vermutlich hatte sich E bei den letzten Malen, die er den Freund besucht hatte, nur noch als eine schwarze Silhouette abgezeichnet. Und der Freund vielleicht, bestenfalls, fast guttural gefragt Wer ist da? , und was sollte er darauf antworten. Er wusste es ja kaum selbst. Und die Träume eines Sterbenden deuten, oder seine Gesichte oder Hoffnungen, das kann man ja im wirklichen Leben nicht tun, nur in der Poesie, deshalb war Poesie vielleicht sündig, und die Mutter hatte recht gehabt, ohne es zu wissen.
    Aus diesem Grund rief T an. Sie, also T und der, der jetzt mausetot war, hatten ja die gleiche Krankheit. Es bedeutete ein Erlöschen; man wurde zuerst langsam tatterig, dann fielen die Nebelschwaden ein. Aber wie und wann begann der schwarze Nebel heranzurollen?
    T meinte, er sei jetzt ziemlich dicht daran, doch er könne immer noch klar denken, obwohl darin ja auch keine Sicherheit lag. Nach dieser einleitenden Erklärung, dass er noch klar im Kopf und fast beweglich war, wenn auch mit kleinen Schritten,

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