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Das Buch Der Hundert Vergnügungen

Das Buch Der Hundert Vergnügungen

Titel: Das Buch Der Hundert Vergnügungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson & Dan Kieran (Hrsg.)
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Sonnenuntergang, die Blüte der Bäume oder den Regen. Um Sie herum sind andere damit beschäftigt, aufzuräumen und sauber zu machen und zu kochen. Sie knuddeln ein winziges Geschöpf, betrachten es aufmerksam, prüfen seine seidige Haut, verharren mit Ihrem Finger auf der samtweichen Wange und spüren dem Schwung seiner Augenbraue nach. Kein Zweifel, nichts auf der Welt ist wichtiger als das, was Sie gerade tun. Und es erzeugt jede Menge Hormone: süße, glücklich machende, wohltuende Endorphine, die das Gemurmel Ihres Verstandes und Ihrer Sorgen zum Schweigen bringen und den irrwitzigen Rummel der Welt ausblenden. Vielleicht hören Sie auch um drei Uhr das Nachtprogramm im Radio, diskutieren morgens um neun über ein Puzzlespiel und geben dem Vater nachmittags um fünf Anweisungen für die Zubereitung der Bolognese. Oder Sie lehnen sich einfach in Ihr Daunenkissen zurück und klinken sich aus.
    VH

BIBLIOTHEKEN
    Unfairerweise entweder als zu alt und verstaubt oder zu modern und nüchtern geschmäht, haben alle öffentlichen Bibliotheken eins gemeinsam: Ihre Regale stecken voller Tore zu anderen Welten, durch die Sie kostenlos einen Blick werfen dürfen. Durch diese Wurmlöcher gelangen Sie auf die Bühne der Politik im alten Griechenland, machen Bekanntschaft mit den seltsamen Abbildungen in Handbüchern für Fotografie, stöbern in Wörterbüchern mit aufregend neuen Schimpfwörtern, erfahren etwas über das Liebesleben in viktorianischen Gutshäusern, Quantenmechanik, japanische Gärten, den Bau von Katapulten, die abseitigen Sexualpraktiken drogensüchtiger Adliger, Iguanodons und darüber, was im Kopf von Richard Brautigan vorging – die Liste ließe sich endlos weiterführen! Und dann ist da natürlich die leutselige alte Dame in ihrer Strickjacke, die Ihnen jedes Mal höflich zulächelt, wenn Sie wieder mal reinschauen, aber von der Sie im Stillen vermuten, dass sie alles über den Marquis de Sade weiß. Bibliotheken sind Zeitmaschinen – vollgestoft mit allem, was Sie jemals werden wissen wollen oder verstehen können, und dabei eingekapselt in eine Hülle, die so absolut reizlos und unaufregend ist, dass Sie schon ein geheimes Passwort brauchen, damit Ihr Gehirn überhaupt Zugang dazu bekommen will. Dieses Passwort besteht aus einer Kombination von Neugier und freier Zeit.
    DK

VERGESSEN
    Manchmal müssen wir uns von der Last in unserem Kopf befreien und uns einfach sagen: Vergiss es. Alle Erinnerungen, gute wie schlechte, sanft aus unserem Bewusstsein strömen lassen. »Die Türen und Fenster des Bewusstseins zeitweilig schließen«, schrieb Nietzsche, »von dem Lärm und Kampf, mit dem unsere Unterwelt von dienstbaren Organen für- und gegeneinander arbeitet, unbehelligt bleiben … das ist der Nutzen der aktiven Vergesslichkeit, einer Türwärterin gleichsam, einer Aufrechterhalterin der seelischen Ordnung, der Ruhe, der Etikette«. Und weiter sagt Nietzsche von dieser so wichtigen Vergnügung: »Womit sofort abzusehn ist, inwiefern es kein Glück, keine Heiterkeit, keine Hoffnung, keinen Stolz, keine Gegenwart geben könnte ohne Vergesslichkeit.«
    TH

KRITZELN
    Stifte haben ihre eigenen unergründlichen Gesetze. Angekaut und ohne Kappe tauchen sie an den unmöglichsten Stellen auf oder sammeln sich in irgendeiner Schublade, auf die man nicht kommt. Hat man einen geschnappt, zeigt er sich womöglich widerspenstig, wenn Sie seine Tinte ans Licht der Welt zu bringen versuchen. Mit kreisenden Bewegungen auf einem Zettel bekommt man ihn in Gang, aber bis es so weit ist, haben Sie längst vergessen, wofür Sie ihn eben noch brauchten, und er benutzt Sie zum Kritzeln. Na, vielleicht zeichne ich jetzt mal was Tolles, denken Sie sich. Was wollte ich noch auf den Einkaufszettel schreiben? O nein! Noch so ’ne Kritzelei! Die Kritzelei ist die Seele des müßigen Stiftes. Gewiss, er ließe sich benutzen, um damit im Überschwang ein Meisterwerk zu verfassen oder widerwillig Darlehens- und Sparzinsen zu vergleichen, aber wie viel besser ist es doch, ihn kritzeln zu lassen. Die Kritzelei ist die ziellose Bummelei von Hand und Kopf. Auf allem können Sie herumkritzeln – auf alten Briefumschlägen, auf dem einsamen letzten Post-it-Zettel oder auf Ihren alten Schwimmurkunden. Kritzeleien überall!
    DK

PANTOFFELN
    In Zeiten der stets zum Aufbruch bereiten Turnschuhe sind die bescheidenen Pantoffeln ein vergessenes Vergnügen. Früher einmal kamen wir nach der Mühsal eines Werktags nach Hause, zogen die Schuhe

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