Das Buch Der Hundert Vergnügungen
nach oben, lächeln Sie und genießen Sie, wie das Wasser vom Himmel Ihr sorgenzerfurchtes Gesicht erfrischt. Je nasser Sie werden, umso freier fühlen Sie sich. Und wenn Sie dann wieder drinnen sind und tropfend auf Ihrer Fußmatte im Flur stehen, werden Sie aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen. Ziehen Sie Ihre durchweichten Kleider aus und dann ab ins Badezimmer (was umso mehr Spaß macht, wenn Sie nicht allein sind). Jeder Quadratzentimeter Ihres Körpers ist völlig durchnässt, und das Wasser rinnt in großen Tropfen von Ihrer Nase. Trocknen Sie sich gut ab, wickeln Sie sich in einen Bademantel und dann setzen Sie sich mit einer dampfenden Tasse Tee aufs Sofa und verschlingen eine Schachtel Kekse.
TH
GRABSTEINE LESEN
Ich war zu früh dran für die Hochzeit. Also schlenderte ich über den Friedhof an der Kirche. Die Namen der Toten zogen an mir vorüber. Immer weiter ging ich, bis mich ein Doppelgrab anhalten ließ. Es sah aus wie ein Hochbeet mit einer breiten Steintafel dahinter, die über das ganze Kopfende reichte. Das Grab selbst bestand nur aus einer rauen Steinplatte mit einer leeren Vase aus Granit in der Mitte.
Auf der linken Seite der Steintafel waren die Worte eingraviert:
WING COMMANDER ANDREW PHILLIPS
geboren am 3. April 1918
vermisst über Frankreich am 7. Juni 1940
Geliebter Ehemann von Connie
Auf der rechten Seite stand:
CONNIE PHILLIPS
geboren am 7. Mai 1920
gestorben am 17. November 2002
Die Tatsache, dass sie nie wieder geheiratet hatte, nachdem sie ihren 22 Jahre alten Mann verloren hatte, als sie selbst gerade zwanzig war, hatte etwas wunderbar Herzergreifendes. Bilder von Großbritannien im Zweiten Weltkrieg stiegen in mir auf, Gedanken an die kurzen Momente des Glücks, die diesen beiden Menschen vergönnt gewesen waren. An die sechs Jahrzehnte ihrer Trauer, nachdem sie ihn verloren hatte, einen der Spitfire-Piloten vielleicht, Churchills »kleine Schar«. Stellen Sie sich vor, wie sie gewartet hat damals, ohne jede Hoffnung trotzdem darauf hoffend, dass er eines Tages doch noch zurückkäme.
Dann jedoch ging mir plötzlich auf, dass sie allein da unter dem Stein lag, den sie so lange so liebevoll gepflegt hatte, während er vielleicht irgendwo an einem Feldrand in Frankreich begraben lag, und das war zu viel für mich. Aber trotz der Tränen, die über meine Wangen liefen, fühlte ich mich irgendwie gestärkt, als ich zur Kirche zurückging. Ich bemerkte, wie ich im Stillen lächelte. Darüber, einfach so auf ihre Geschichte gestoßen zu sein und dass diese Geschichte einen, der nicht das Geringste mit ihnen zu tun hatte, nach so vielen Jahren noch zu Tränen rühren konnte.
DK
PAPIER FALTEN
Ob Sie einen Brief falten, um ihn in einen Umschlag zu stecken, einen DIN-A4-Bogen falten, um einen Papierflieger daraus zu bauen, oder ein quadratisches Stück Papier zu einer Wasserbombe oder einem Himmel-oder-Hölle-Spiel falten – allein schon die Wirkung des bloßen Faltens auf ein flaches Stück Nichts hat etwas zutiefst Befriedigendes. Unter Ihren Händen verwandelt sich ein weißes Blatt in etwas Schönes, Lustiges oder Nützliches, und für ein paar Augenblicke werden Sie an Ihrem Schreibtisch zu einem Kunsthandwerker. Das ist die Schönheit des Origami: Es ist bürofreundlich und absolut kostenlos.
TH
BETRUNKEN NACH HAUSE GEHEN
Betrunken zu sein hat eine Reihe seltsamer Wirkungen. Zu den interessanteren Eigenschaften des Betrunkenseins gehört die Fähigkeit, zu Fuß vergleichsweise mühelos Entfernungen zu überwinden, die im nüchternen Zustand entsetzlich weit wären. In England heißt das im Volksmund »catching the beer scooter home« – den Bierroller nach Hause nehmen –, eine wundersame Transportmethode, die einen bis an die eigene Haustür befördert, ohne dass man recht wüsste, wie man dorthin gelangt ist.
Der betrunkene Gang nach Hause ist außerdem eine nette Methode, die Nachwirkungen des Abends abzuschütteln. Nichts ist ein besserer Abschluss für ein feuchtfröhliches Mahl oder eine durchzechte Nacht als ein vergnüglicher Spaziergang nach Hause. Die verfügbaren Alternativen – ein Nachtbus voller herumbrüllender Idioten, ein Taxi, dessen Fahrer den Weg nicht kennt und anschließend ein Vermögen dafür kassieren will, eine Bahn voller Leute, die widerlich riechendes Fast Food mampfen – sind meist nicht sonderlich attraktiv. Lassen Sie sich lieber von Ihrem persönlichen Fahrer, Ihren Füßen, nach Hause bringen. Die menschenleeren Straßen
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