Das Buch der Illusionen
geh ans Telefon und sprich mit mir. Sofort danach rief ich sie wieder an, aber diesmal riss die Verbindung nach dem sechsten oder siebenten Klingeln plötzlich ab. Erst begriff ich das nicht, aber dann ging mir auf, dass sie den Stecker aus der Wand gezogen haben musste.
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Noch in derselben Woche begrub ich sie neben ihren Eltern auf einem katholischen Friedhof fünfundzwanzig Meilen nördlich von Tierra del Sueño. Alma hatte mir gegenüber nie etwas von Verwandten erwähnt, und da sich weder Grunds noch Morrisons meldeten und Anspruch auf ihren Leichnam erhoben, übernahm ich die Kosten für die Beerdigung eben selbst. Ich musste grausame Entschlüsse fassen, groteske Dinge entscheiden, bei denen es um die jeweiligen Vorteile des Einbalsamierens und Ein-äscherns ging, um die Haltbarkeit diverser Holzarten und die Preise von Särgen. Nachdem ich mich für eine Erdbestattung entschieden hatte, ergaben sich weitere Probleme, die Kleidung, Lippenstift, Nagellack und Frisur betrafen. Ich weiß nicht, wie ich das alles geschafft habe, vermute aber, dass ich es nicht anders hinter mich brachte als jeder andere: halb da und halb nicht, halb bei Verstand und halb nicht. Erinnern kann ich mich nur noch daran, dass ich Nein gesagt habe, als es um die Frage der Einäscherung ging. Kein Feuer mehr, sagte ich, keine Asche mehr. Man hatte sie schon für die Obduktion aufgeschnitten, aber ich wollte nicht zulassen, dass man sie auch noch verbrannte.
In der Nacht, in der Alma in den Freitod ging, hatte ich von meinem Haus in Vermont aus im Büro des Sheriffs angerufen. Man schickte einen Hilfssheriff namens Victor Guzman zur Ranch, um der Sache nachzugehen, aber obwohl er dort vor sechs Uhr morgens eintraf, waren Juan und Conchita bereits verschwunden. Alma und Frieda waren beide tot, der Brief, den sie mir gefaxt hatte, steckte noch in der Maschine, aber die kleinen Leute waren nicht mehr da. Als ich New Mexico fünf Tage später verließ, suchten Guzman und seine Leute immer noch nach ihnen.
Um Friedas sterbliche Reste kümmerte sich ihr Anwalt, so wie sie es in ihrem Testament angeordnet hatte. Die Messe wurde im Garten der Blue Stone Ranch gehalten -unmittelbar hinter dem Haupthaus, in Hectors kleinem Wald aus Weiden und Espen -, aber ich wollte auf gar keinen Fall dabei sein. Ich hatte jetzt einen unbändigen Hass auf Frieda, und wenn ich mir vorstellte, an dieser Feier teilzunehmen, drehte sich mir der Magen um. Den Anwalt lernte ich nie persönlich kennen, aber Guzman hatte ihm von mir erzählt, und als er mich im Motel anrief und zu Friedas Beerdigung einlud, sagte ich nur, ich hätte zu tun. Danach redete er noch minutenlang weiter, verbreitete sich über die arme Mrs. Spelling und die arme Alma und wie entsetzlich das alles gewesen sei, und schließlich teilte er mir fast übergangslos und in strengstem Vertrauen mit, das Anwesen habe einen Wert von über neun Millionen Dollar. Sobald das Testament offiziell bestätigt sei, werde die Ranch zum Verkauf angeboten, sagte er, und der Erlös sowie sämtliche Gelder aus dem Verkauf von Mrs. Spellings Aktien und Wertpapieren solle einem gemeinnützigen Unternehmen in New York City gespendet werden. Welchem denn?, fragte ich. Dem Museum of Modern Art, sagte er. Die gesamten neun Millionen fließen in einen anonymen Fonds zur Erhaltung alter Filme. Ziemlich seltsam, sagte er, finden Sie nicht auch? Nein, sagte ich, überhaupt nicht. Vielleicht unmenschlich und ekelhaft, aber nicht seltsam. Wenn Sie schlechte Scherze mögen, hätten Sie an dem hier jahrelang was zu lachen.
Ich wollte noch ein letztes Mal zur Ranch zurück, doch als ich beim Tor ankam, verließ mich der Mut, hindurchzufahren. Ich hatte gehofft, ein paar Fotos von Alma zu finden, in ihrem Haus irgendwelche Kleinigkeiten zu entdecken, die ich mit nach Vermont nehmen konnte, aber die Polizei hatte den Schauplatz mit gelben Absperrbändern abgeriegelt, und plötzlich traute ich mich nicht mehr. Kein Polizist weit und breit, der mich aufgehalten hätte - ich hätte unbehelligt durchs Gatter schlüpfen und auf das Gelände vordringen können, aber ich konnte nicht, ich konnte einfach nicht, und so machte ich kehrt und fuhr wieder weg. Die letzten Stunden in Albuquerque verbrachte ich damit, einen Grabstein für Alma auszusuchen. Als Inschrift schwebte mir zunächst etwas ganz Schlichtes vor: ALMA GRUND, 1950-1988. Doch nachdem ich den Vertrag unterschrieben und die Arbeit im Voraus bezahlt hatte, ging ich noch
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