Das Buch der Illusionen
beziehungsweise Hectors Frau), gab von heute auf morgen ihre Karriere auf und zog sich ganz aus der Welt des Showbusiness zurück.
Jules Blaustein, der Gagschreiber, der bei allen zwölf Kaleidoscope-Filmen mit Hector zusammengearbeitet hatte, erzählte einem Variety-Reporter, er und Hector hätten gemeinsam an einer Reihe von Drehbüchern für Tonfilmkomödien geschrieben, und sein Partner sei äußerst optimistisch gewesen. Er habe ihn seit Mitte Dezember täglich gesehen. Im Gegensatz zu allen anderen, die nach Hector ausgefragt wurden, sprach er stets im Präsens von ihm. Es stimmt, dass die Sache mit Hunt ziemlich unerfreulich endete, gab Blaustein zu, aber Hector war nicht der Einzige, dem von Kaleidoscope übel mitgespielt wurde. Wir alle haben dort manches einstecken müssen, und ihn hat es sicher am schlimmsten erwischt, aber er ist nun mal kein nachtragender Typ. Seine ganze Zukunft liegt noch vor ihm, und kaum war sein Vertrag mit Kaleidoscope geplatzt, hat er sich anderen Dingen zugewandt. Er hat hart mit mir gearbeitet, so hart wie immer, und nur so gesprüht vor neuen Ideen. Als er verschwunden ist, war unser erstes Drehbuch so gut wie fertig - ein irre komischer Film mit dem Titel Punkt und Komma -, und unsere Vertragsverhandlungen mit Harry Cohn von Columbia standen kurz vor dem Abschluss. Im März sollten die Dreharbeiten anfangen. Hector wollte Regieführen und selbst eine kleine, aber lustige stumme Rolle darin übernehmen, und wenn sich das für Sie nach einem Menschen anhört, der vorhat, sich umzubringen, dann haben Sie von Hector nicht die leiseste Ahnung. Dass er sich das Leben nehmen würde, ist ein lächerlicher Gedanke. Vielleicht hat es ihm ein anderer genommen, aber das würde bedeuten, dass er Feinde hat, und ich habe in der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft nicht ein einziges Mal erlebt, dass er irgendwen gegen sich aufgebracht hat. Der Mann ist ein Ass, und ich arbeite sehr gern mit ihm zusammen. Wir können hier noch den ganzen Tag lang sitzen und darüber rätseln, was passiert ist, aber ich halte jede Wette, dass er noch am Leben ist, dass er mitten in der Nacht irgendeine seiner verrückten Ideen gehabt und sich einfach verkrümelt hat, um mal für eine Weile allein zu sein. Alles redet davon, dass er tot ist, aber mich würde es nicht überraschen, wenn Hector jetzt in diesem Augenblick zur Tür reinkommen, seinen Hut auf den Stuhl werfen und sagen würde: «Okay, Jules, an die Arbeit!»
Columbia bestätigte, dass man mit Hector und Blaustein über einen Vertrag für drei Filme verhandelt hatte; die Rede war von Punkt und Komma und zwei weiteren abendfüllenden Komödien. Es sei noch nichts unterschrieben worden, sagte der Sprecher der Gesellschaft, aber nachdem die Bedingungen zur Zufriedenheit beider Parteien ausgehandelt worden seien, habe man sich bereits darauf gefreut, Hector in der Familie willkommen zu heißen. Blausteins Bemerkungen und diese Erklärung von Columbia machten es extrem unwahrscheinlich, dass Hectors Karriere in eine Sackgasse geraten war, was einige Boulevardblätter als mögliches Motiv für einen Selbstmord verbreitet hatten. Die Fakten sprachen dagegen; Hectors Aussichten waren alles andere als düster. Das Durcheinander bei Kaleidoscope habe ihm die Stimmung nicht verdorben, war am 18. Februar 1929 im Los Angeles Report zu lesen, und da nirgends ein Abschiedsbrief aufgetaucht war, der die Annahme, Hector habe sich das Leben genommen, hätte stützen können, verlor die Selbstmordtheorie allmählich an Boden und wurde durch eine Vielzahl wüster Spekulationen und hirnrissiger Mutmaßungen ersetzt: schief gegangene Entführungen, abstruse Unfälle, übernatürliche Ereignisse. Unterdessen kam die Polizei bei ihren Recherchen im Zusammenhang mit Hunt nicht weiter; man behauptete zwar, man gehe einigen vielversprechenden Hinweisen nach (Los Angeles Daily News am 7. März 1929), aber neue Verdächtige wurden dann doch nicht präsentiert. Wenn Hector ermordet worden war, gab es jedenfalls kein hinreichendes Belastungsmaterial für eine Anklage. Wenn er sich selbst getötet hatte, dann jedenfalls aus keinerlei nachvollziehbaren Gründen. Einige Zyniker meinten, sein Verschwinden sei nichts anderes als ein Reklamegag, ein mieser Trick, ausgeheckt von Harry Cohn, um den neuen Star von Columbia ins Gespräch zu bringen, und man könne jetzt jederzeit mit Hectors wundersamer Rückkehr rechnen. Das klang auf eine verquere Weise gar nicht mal so unvernünftig,
Weitere Kostenlose Bücher