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Das Buch der Lebenskunst

Das Buch der Lebenskunst

Titel: Das Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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zum Bauen, eine Zeit zum Weinen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.“ (Koh 3,1-4)

    SPÜRE DIE ZEIT
    „Alle versuchen, die Zeit totzuschlagen. Und keiner will sterben.“ Es ist ein paradoxer Satz, den dieses französische Sprichwort formuliert. Wir schlagen die Zeit tot. Aber indem wir die Zeit totschlagen, wollen wir dem Tod selber aus dem Weg gehen. Wir schlagen die Zeit tot, um dem Tod nicht begegnen zu müssen. Der eine schlägt die Zeit tot, indem er von einem Fernsehprogramm zum andern hüpft, der andere, indem er seine Zeit mit leeren Aktivitäten voll stopft. Der eine weicht der Zeit aus, indem er sich dem Gerede hingibt. Man redet über Belangloses, nur damit die Zeit vergeht. Man möchte die Zeit nicht spüren, weil man mit der Zeit auch ihre Begrenztheit wahrnehmen würde. In der Begrenztheit schaut der Tod in unsere Zeit hinein. Er ist die eigentliche Grenze für unsere Zeit. Wir schlagen lieber die Zeit tot, als dem Tod in die Augen zu schauen. Doch nur wer sich dem Tod stellt, wird die Zeit bewusst wahrnehmen und erleben.
    Der Tod zeigt uns, worauf es wirklich ankommt. Wir können nichts mitnehmen, weder unsern Erfolg, noch unsern Besitz, noch die Menschen, die wir lieben. Wir können nur unsere leeren Hände ausstrecken und uns in liebende Arme fallen lassen. Im Angesicht des Todes können wir gelassen leben, im richtigen Abstand zu den Dingen.
    Unsere Arbeit, unser Besitz, die Menschen um uns herum, alles erhält sein richtiges Maß. Mit dem Tod leben heißt auch, bewusst und ganz in der Gegenwart leben, spüren, was Leben im letzten ist: ein Geschenk.
    Es kommt nicht auf unsere Leistung an.
    Lebendige Zeit gelingt also nur dem, der den Tod wahrnimmt.
    Tot wird die Zeit, wenn der Tod verdrängt wird.

    ENTSCHLEUNIGEN
    „Wer vertraut, wird nichts beschleunigen wollen“ (Jesaja 28,16).
    Nicht nur in der Wirtschaft, in allen Bereichen der Gesellschaft wird immer mehr beschleunigt. Weise Menschen setzen dagegen auf Entschleunigung. Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Mensch krank wird, wenn sein Leben immer schneller wird. Der Prophet Jesaja hat schon vor 2 700 Jahren erkannt, dass der Grund aller Beschle unigung und Hast mangelndes Vertrauen ist. Wer vertraut, der lässt die Dinge, wie sie sind. Er traut dem Wachstum, das im Wesen der Dinge liegt. Die Pflanze wächst nach ihrem inneren Gesetz. Auch der Mensch hat seinen Rhythmus, der für sein Leben passt. Wenn dieser Rhythmus immer schneller wird, kommt die Seele nicht nach. Sie wird verwirrt. Wer meint, er müsse immer schneller werden, wird letztlich von der Angst getrieben. Die Angst ist die Triebfeder der Beschleunigung. Wer Angst hat, kann nicht stehen bleiben. Er kann nicht warten. Er kann nicht zuschauen. Er muss alles selbst in die Hand nehmen, weil er meint, sonst würden sich die Dinge seiner Hand entziehen. Er misstraut allem, was er nicht selber tut. Und er hat Angst vor den kleinen Unterbrechungen des Alltags. Da würde er ja mit sich selbst konfrontiert.
    Doch das kann er nicht aushaken, also muss er immer tätig sein, immer etwas in der Hand haben, was er vor sein Herz halten kann, damit er die Unruhe und Ängstlichkeit seines Herzens nicht wahrnimmt.

    GESCHENKTE ZEIT
    „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“
    Es war ein kluger Mann, der das gesagt hat.
    Zeit ist Geld. Das ist unser heutiges Motto. Die Arbeit wird nach Minutentakt eingeteilt. In die kurze Arbeitszeit wird alles hineingepackt, damit sie möglichst effektiv wird. Doch mit der gewonnenen Zeit können die meisten Menschen nichts anfangen. Sie können die Zeit nicht genießen, sondern packen in ihre Freizeit möglichst viele „events“
    hinein. Es muss auch in der Freizeit etwas los sein. Man muss die Zeit nützen. Doch wenn man beobachtet, womit die Zeit genutzt wird, so merkt man, dass es entweder andere Tätigkeiten sind oder aber Vergnügen. Doch bei den vielen Aktivitäten kommt oft nichts heraus.
    Und die Vergnügen verhelfen nicht wirklich zur Ruhe. Auch in der Freizeit findet der Mensch keine Ruhe. Er lenkt sich nur ab. Er läuft vor der eigenen Wahrheit davon. Ruhe findet nur, wer sich seiner inneren Wirklichkeit stellt und sie bejaht, wie sie ist. Wer Zeit wirklich gewinnen will, muss keine Zeitstrategien entwickeln, wie es im heutigen Management üblich ist. Derjenige gewinnt vielmehr am meisten Zeit, der in jedem Augenblick ganz präsent ist. Für den gibt es keine verlorene Zeit. Für den ist jede Zeit

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