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Das Buch der Lebenskunst

Das Buch der Lebenskunst

Titel: Das Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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sein, dass wir nach einer halben Stunde auf die Uhr sehen und das Gefühl haben, es war nur ein kurzer Augenblick, den wir da gesessen sind. Die Zeit ist still gestanden, weil Gott selbst uns berührt hat. Wenn er uns berührt, wenn er uns erfasst, dann hört die Zeit auf, dann ist Ewigkeit.

    GEHEIMNISVOLLE EWIGKEIT
    Andreas Gryphius schreibt in seiner berühmten Betrachtung über die Zeit:
    „Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen; Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht, So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“
    Die spirituellen Meister sprechen alle von der Kunst, ganz im Augenblick zu sein. Wer achtsam lebt, wer ganz in dem ist, was er gerade tut, für den bricht die Ewigkeit ein in seine Zeit. T. S. Eliot spricht vom
    „ruhenden Punkt der sich kreisenden Welt“, den wir im Augenblick berühren, von dem Punkt, „wo sich Zeitloses schneidet mit Zeit“. Für Andreas Gryphius wird der, der ganz im Augenblick lebt, eins mit Gott, der jenseits der Zeit ist. Die Erfahrung des Augenblicks wird zur Erfahrung Gottes und trans zendiert so die Zeit.
    Solche Erfahrungen des Augenblicks, in dem alles eins ist, Zeit und Ewigkeit, nennt Abraham Maslow Gipfelerlebnisse. Und jeder von uns hat wohl schon solche Gipfelerlebnisse gehabt, allein auf einer Frühlingswiese, mit Freunden auf einem Gipfel, mitten unter den Zuhörern in einem Konzertsaal, bei der Geburt eines Kindes, beim Anblick eines geliebten Menschen. Wenn wir überlegen, was da in solchen Gipfelerlebnissen geschieht, so können wir nur stammeln. Wir sagen: „Es hat mich einfach überwältigt. Ich war ganz da. Ich war ganz weg.“ David Steindl-Rast, der österreichische Benediktiner und Eremit, sieht drei Eigenschaften in so einem Gipfelerlebnis. Das Erste ist, dass wir uns ganz vergessen. Wir meinen, es sei eine große Gnade, sich selbst annehmen zu können. Denn wir wissen, wie schwer es ist, wirklich zu sich ja zu sagen. Aber die Gnade aller Gnade würde darin bestehen, sich selbst einmal vergessen zu können, einmal das Kreisen um sich selbst lassen zu können, einmal nicht mehr danach zu fragen, was es mir bringt, sondern einfach in dem sein, was ist. Das Paradox besteht darin, dass wir ganz präsent sind, wenn wir uns vergessen. Dann sind wir ganz im Augenblick. Wir sind gegenwärtig. Und wir sind ganz wir selbst.

    KOMM ZU DIR
    Wer sich genau beobachtet, wird erkennen, wie oft er gedankenlos durch den Tag geht. Du nimmst gar nicht wahr, was du tust. Du lässt deinen Schlüsselbund liegen oder deine Brille. Weil du nicht bei dir bist, merkst du nicht, dass dir nicht nur der Schlüssel verloren geht, sondern du selbst. Du bist nicht bei dir. Und alles angestrengte Grübeln kann dich nicht wieder zu dir zurückbringen.
    Versuche es mit einem Gebet. Komm in Berührung mit deiner kreativen Mitte. Da kommt dir auf einmal die Idee, wo du suchen könntest. Das gilt nicht nur für Verlorengegangenes. Es gilt für alle schwierigen Situationen. Geh vom Problem weg. Komm in Kontakt zu deiner Mitte. Hier, in deiner Mitte findest du dich selbst. Dort tauchen auf einmal kreative Lösungen auf. Es fällt dir ein, wie du dich in einer unübersichtlichen Situation entscheiden und was du in einem schwierigen Gespräch einem andern sagen kannst.
    In deiner Mitte liegt die Lösung schon bereit.

    FENSTER IN DEN HIMMEL
    Ewigkeit meint nicht die unbegrenzte Dauer der Zeit oder die ewige Wiederkehr des Gleichen. Ewigkeit hat für die Mönche zwei Bedeutungen: Einmal ist es das andauernde Jetzt, der Augenblick, in dem die Ewig keit einbricht in unser Leben. Es ist ein Augenblick, in dem wir das Gespür für die Zeit verlieren. Und Ewigkeit ist die Negation aller Zeit lichkeit. So verstand Platon seine ewigen Ideen, die der Zeit entrückt sind. Für die Christen ist Gott jenseits der Zeit, aller Zeit enthoben. Daher ist Gotteserfahrung immer auch Erfahrung der Ewigkeit.
    Es gibt für die Mönche verschiedene Orte, an denen die Ewigkeit in der Zeit erfahrbar wird. Da ist einmal die Liturgie. Für den heiligen Benedikt singen die Mönche im Angesicht der Engel die Psalmen. Die Engel sind der Zeit enthoben. Sie sind bei Gott und schauen das Antlitz Gottes. Liturgie ist immer Teilhabe an der ewigen Liturgie im Himmel.
    Da tut sich ein Fenster auf und der Himmel öffnet sich. Da tauchen die Mönche ein in den ewigen Lobgesang, der im Himmel erklingt. Die Liturgie ist geprägt vor allem durch das

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