Das Buch der Lebenskunst
Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft der Starken.“ Das ist das Wort eines frommen Hindu, Mahatma Gandhi -
eines Menschen, dessen Friedfertigkeit und dessen Wille so stark waren, dass er eine Weltmacht in die Knie zwang und Weltgeschichte geschrieben hat. Et hat sich in seinem Engagement übrigens ausdrücklich auf Jesus berufen.
Manche Christen empfinden es als Last, dass sie dem vergeben sollen, der sie verletzt hat. Bei ihnen bekommt die Vergebung einen resignierenden Beigeschmack. Ich darf gar nicht wütend sein. Ich muss vergeben. Doch das ist nicht die Idee der Verzeihung. Verzeihung ist immer Ausdruck von Stärke und nicht von Schwäche.
Ich kann dem andern nur vergeben, wenn ich mich erst einmal innerlich von ihm distanziert habe. Dazu brauche ich die Aggression, eine starke innere Kraft, mit der ich den andern aus mir herauswerfe.
Der zweite Schritt der Vergebung ist dann, dass ich die Verletzung beim andern lasse. Vergeben heißt: das, was der andere mir antut, wegzugeben, so dass es mich nicht mehr belastet.
Der dritte Schritt besteht dann darin, dass ich versuche, den andern zu verstehen. Wenn ich ihn verstehe, dann ist die Vergebung nicht mehr eine mühsame Pflicht, der ich mich unterziehe, um dem Gebot Jesu zu gehorchen, sondern ein Akt der Befreiung. Wenn ich verstehe, dass der andere mich nur verletzt hat, weil er selbst ein „verletztes Kind“ ist, weil er seine eigenen Verletzungen weitergegeben hat, dann hat er keine Macht mehr über mich. Ich werde frei von dem, was er mir angetan hat.
Solange ich nicht vergeben kann, bin ich an den andern gebunden.
Vergebung befreit mich. Manche Menschen werden nicht gesund, weil sie nicht vergeben können. Es braucht einen guten Selbstand, um vergeben zu können. Und zugleich führt die Vergebung zu innerer Stärke und Klarheit und Freiheit.
ERBARMEN ÜBEN
„Wer Erbarmen übt, tut sich selbst wohl.“ Diese Einsicht steht in der Bibel (Sprüche 11,17). Sie ist gültig bis heute - vom „Mehrwert des Guten“ hat Allan Luks einmal in zeitgemäßer Sprache gesprochen: Wer andern hilft, hilft auch sich selbst.
Auch das Gegenteil liegt auf der Hand: Wer den andern hart behandelt, tut sich selber weh. Wenn ich einen anderen anschreie, verletze ich mich selber. Ich möchte das Zarte in mir mit Geschrei übertönen. Doch das tut meiner Seele nicht gut. Wenn ich mich des andern erbarme, bin ich auch mir selbst gegenüber barmherzig.
Barmherzig sein heißt, ein Herz für das Arme und Verwaiste, für das Elende und Verwundete in mir zu haben. Ich kenne allerdings auch Menschen, die andern gegenüber barmherzig sind, aber sich selbst mit einem harten und fordernden Herzen begegnen. Bei diesen Menschen kommt das Erbarmen nicht wirklich aus ihrem Herzen. Es entspringt nur ihrem Willen. Doch in solchen Fällen kommt das Erbarmen beim andern nicht wirklich als Barmherzigkeit an, sondern eher als etwas, das dem Empfänger ein schlechtes Gewissen macht, das ihn mit Schuldgefühlen erfüllt. Bei solcher „Barmherzigkeit“ fühle ich mich nicht wohl. Ich werde die Barmherzigkeit des andern nur als wohltuend erfahren, wenn er mit sich selbst barmherzig umgeht. Dann wird das Erbarmen wechselseitig. Das Erbarmen tut mir und dem andern gut. Beide spüren wir unsere Herzen, die aufhören, zu verurteilen und zu fordern, die sich vielmehr öffnen und sich erbarmen.
GUTES TUN
„Durch nichts ist der Mensch den Göttern näher, als wenn er seinem Nächsten Gutes tut.“ Der römische Philosoph und Redner Cicero hat das gesagt und also schon vor Christus und außerhalb der jüdischen Theologie erkannt, dass die Nächstenliebe den Menschen in die Nähe Gottes bringt. Wer etwas Gutes tut, wird im andern Menschen etwas von seiner göttlichen Würde entdecken. Und er wird in sich selbst mit dem göttlichen Kern in Berührung kommen. Er wird im Gutes-Tun entdecken, dass in ihm eine göttliche Liebe ist, an der er teilhat. Darin besteht seine tiefste Würde.
HELFEN
„Wer andern gerne hilft, wird wohlgenährt; wer andre sättigt, wird auch selber gesättigt.“ (Sprüche 11,25)
Als das Buch des Psychologen Wolfgang Schmidbauer „Die hilflosen Helfer“ erschien, wurde es modern, jedes Helfen zunächst einmal zu hinterfragen. Manche Menschen helfen andern, doch in Wirklichkeit brauchen sie selbst Hilfe. Sie verlagern ihre Hilflosigkeit nach außen und erwarten sich davon Rettung. Andere üben Macht aus mit ihrem Helfen.
Doch bei allem kritischen
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